OT: Rehakind ist langjähriger Partner der OTWorld und in diesem Jahr auf der Messe als Teil der „OTWorld.friends“ vertreten. Sie haben diesmal aber keinen eigenen Stand. Werden Sie auf andere Weise die Fahnen für die Versorgung von Kindern mit Behinderungen hochhalten?
Christiana Hennemann: Sicherlich, ich werde mit meiner Kollegin die Chance nutzen, uns dort mit vielen Fachinformationen aus dem spannenden Kongress zu versorgen und natürlich zu „netzwerken“ – das geht in Leipzig immer besonders gut. Der Verein muss seine Ressourcen bewusst einteilen, und in diesem Jahr steht vor allem die politische Arbeit für die Sicherung und Optimierung zeitnaher und bedarfsgerechter Hilfsmittelversorgung auf dem Programm von Rehakind e. V. Als einzigartiges neutrales Netzwerk arbeiten wir eng mit verschiedenen medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Fachgesellschaften und vor allem der Selbsthilfe zusammen und müssen miteinander eine starke Stimme für die kleine Gruppe junger Menschen bilden. Die Chancen der Inklusion – selbst in den ersten Arbeitsmarkt – sind durch neue digitale Hilfsmittel größer denn je, das muss auch in die Köpfe der Entscheider! Außerdem werden die Familien insgesamt durch gute Hilfsmittelversorgung der Kinder entlastet, sodass die zum Teil gut ausgebildeten Mütter in ihre Berufe zurückkehren können, das ist angesichts des Fachkräftemangels eine wichtige Entwicklung und sichert auch gegen Altersarmut ab.
OT: Sie haben den Vorsitz des Workshops „Die Aufrichtung im Sitzen bei neuroorthopädischen Erkrankungen“ inne. Was erwartet die Teilnehmenden hier?
Hennemann: Julia Heil, schon lange Rehakind-Mitglied und auch Rehakind-Referentin, ist eine echte Praktikerin: Über 25 Jahre als Therapeutin und Hilfsmittelversorgerin tätig, wird sie ihre Erfahrungen in Sachen „Sitzen und Positionieren“ einbringen, denn schließlich ist das unsere „Hauptbeschäftigung den Tag über“. Dazu die in ihrem Neuroorthopädie-Studium an der Donau-Universität Krems gewonnenen Erkenntnisse, die langfristig zu mehr Evidenzbasierung der Versorgung führen. Dies ist zunehmend wichtig, denn Kostenträger werden in Zeiten knapper Budgets danach schauen, welche Versorgungen auch größtmögliche Evidenz aufweisen. Wissenschaft bei solch kleinen „Fallzahlen“ ist nicht einfach, vor allem gerade bei Kindern, deren Entwicklung sehr individuell ist. Aber: Es gibt Ansätze, und diese stellen wir hier praxisnah vor und zur Diskussion.
OT: „Kinder‑, Jugend- und Neuroorthopädie“ ist in diesem Jahr ein Schwerpunktthema des Kongresses. Was erhoffen Sie sich – vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Vereinsarbeit – davon?
Hennemann: Viele der in Leipzig vortragenden Referent:innen sind seit Jahren auch im Beirat von Rehakind oder beim Focus-CP-Rehakind-Kongress aktiv. Es zeigt sich, dass nur interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe zum Erfolg bei den jungen Patient:innen führt, und sich so auch volkswirtschaftlich rechnet. Neurologisch-orthopädische Behinderungen bleiben „ein Leben lang“, und nur gut versorgte Kinder und Jugendliche werden später möglichst selbstständige Erwachsene – unter Umständen mit weniger Pflegebedarf –, die mit einer zunehmend längeren Lebenserwartung auch aktiv am gesellschaftlichen Leben in allen Bereichen teilhaben können. Die Benennung von Chancen und Problemen in diesem Arbeitsfeld bringt öffentliche Aufmerksamkeit und damit auch mehr Einsatzmöglichkeiten von innovativen Therapien und Hilfsmitteln zum Wohle der jungen Menschen.
Die Fragen stellte Pia Engelbrecht.