„Wir sind die Sicherheitskonferenz für den Fuß“, verkündete Dr. med. Jörn Dohle denn auch mit einem leichten Augenzwinkern unter Verweis auf die parallel in München stattfindende geopolitische Sicherheitskonferenz zu Beginn seines Vortrags über Außenbandverletzungen – „die häufigste Verletzung, die in Notaufnahmen aufschlägt“. Gastgeber Prof. Dr. med. Martin Engelhardt, Chefarzt für Orthopädie und Sportmedizin, hatte zuvor die fortwährend große Bedeutung zum interprofessionellen Austausch hervorgehoben. Gemeinsam mit Tino Sprekelmeyer, 1. Vorsitzender der Studiengemeinschaft, war ein abwechslungsreiches Programm initiiert worden, bei dem sich Mediziner und Schuhmacher abwechselnd das Vortragsmikrofon in die Hand gaben. Am ersten von zwei Veranstaltungstagen wollte Sprekelmeyer zunächst weniger zu Rahmenbedingungen des Handwerks diskutieren lassen, sondern vielmehr die Praxis, „Themen, die uns im Alltag beschäftigen“, in den Vordergrund stellen. Dazu gehören im Sportkontext laut Dr. Dohle insbesondere Supinationstraumen, hervorgerufen durch eine chronische Instabilität des oberen Sprunggelenks, die zunächst konservativ in Kombination mit Mobilitätsübungen behandelt werden sollten. Zu den absoluten Highlights des von etwas mehr als 100 Teilnehmer:innen besuchten Symposiums im Vienna House Remarque zählte der Vortrag von Dr. med. Thilo Hotfiel über die Besonderheiten des menschlichen Knorpels. Nach einer kurzen Befragung des Fachpublikums lüftete er den Fakt, dass nichts auf der Welt einen höheren Reibungskoeffizienten (Verhältnis von Druckbelastungsfähigkeit zu Reibung) aufweise als eben jener Knorpel. Sein süffisantes Fazit: Hochleistungssport mit Knorpelschaden ist möglich, aber nicht immer vernünftig.
Im Anschluss an die erste Pause, in deren Verlauf die Teilnehmer:innen Gelegenheit erhielten, sich in der Table-Top-Ausstellung über aktuelle Innovationen der Industrie zu informieren, übernahm Prof. Engelhardt gleich zwei Vorträge am Stück. Während „Kniegelenkspathologien beim Sportler“ eher – Zitat Engelhardt – zu den „Randgebieten der Versorgung“ gehören, zählen „Stressfrakturen der unteren Extremität im Sport“ zu den häufigsten durch Überlastung hervorgerufenen Verletzungen unter Freizeit- und Leistungssportler:innen. In Bezug auf den Austausch mit Patient:innen mahnte Engelhardt alle Professionen: „Sie dürfen keine falschen Versprechungen machen.“ Von einem „bunten Blumenstrauß an Orthesenversorgung“ sprach im Anschluss Tino Sprekelmeyer in seinem Beitrag „Orthopädietechnische Versorgungen“ bei Sportlern. Vor allem anderen stehe dabei die Schmerzreduktion im Vordergrund. Erst im Weiteren folgen u. a. Entlastung, Kompensation neuromuskulärer Defizite oder Stimulationen. Eindringlich betonte Sprekelmeyer die hohe Bedeutung der Compliance bei einer erfolgreichen Versorgung. Dazu gehöre neben einer grundsätzlichen Tragebereitschaft der Anwender:innen auch der praktische Umgang mit dem Hilfsmittel: „Eine Orthese gehört immer auf Haut, nie auf Textil – auch bei Hartrahmen-Orthesen.
Ein weiterer Höhepunkt des diesjährigen Jahreskongresses in Osnabrück war ohne Zweifel die „Ehrengastlecture“ von Prof. Dr. med. Philipp Lobenhoffer. Auf den offiziellen Titel „Auswirkungen von Achsendeformitäten an der unteren Extremität auf Knie- und Sprunggelenk des Sportlers – therapeutische Optionen“ folgte ein über den gesamten Vortragszeitraum von 45 Minuten spannendes und unterhaltsames Plädoyer für das Operationsverfahren der Osteotomie, bei dem zur Korrektur von Fehlstellungen Knochen gezielt durchschnitten werden. „Es lohnt sich, weil es nachhaltig und langfristig ist“, dokumentierte Lobenhoffer den Erfolg des Eingriffs anhand mehrerer Langzeituntersuchungen.
Im weiteren Verlauf beschäftigte sich das zweitägige Fachprogramm am 16. und 17. Januar in Osnabrück u. a. noch mit der Vorfußchirurgie, Arthrose des oberen Sprunggelenks und dem Diabetischen Fuß. Seinen Abschluss fand der Jahreskongress mit der Vorstellung aktueller Projekte am Kompetenzzentrum Orthopädie-Schuhtechnik sowie der Fortsetzung des vor einem Jahr an gleicher Stelle gestarteten Projekts „Open Space 2.0“, in dessen Rahmen im Workshop-Format neue Ideen der Aus- und Weiterbildung im Handwerk erarbeitet werden.
Michael Blatt
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