Ein vierzügiges Programm bot Betroffenen und ihren Angehörigen sowie Vertreter:innen aus Medizin, Physiotherapie, Orthopädie-Schuhtechnik und Orthopädie-Technik viel Input zu aktuellen Versorgungsfragen, Forschungsinhalten sowie praktische Tipps für den Alltag. Das Spektrum reichte dabei von hochkomplexen und fachlichen Vorträgen zu Spezialgebieten der Medizin bis zu einer Quasi-Rechtsberatung durch Anwalt Jörg Hackstein, Rehakind-Vorsitzender.
„Nur eine starke Stimme wird gehört. Daher liegt die Betonung des Kongresses auf gemeinsam“, sagte Rehakind-Geschäftsführerin Christiana Hennemann, die die Kongressbesucher:innen am Donnerstagmorgen im Rahmen der offiziellen Eröffnungsfeier begrüßte, bevor sie zu den Impulsbeiträgen des Schirmherrn, des Keynote-Speakers und des Kongresspräsidiums überleitete.
„Die eigentlichen Präsidenten sind die Kinder, die wir versorgen und deren Eltern“, begrüßte Dr. med. Maria del Pilar Andrino Garcia, Kongresspräsidium, das Ehepaar Kiel aus Münster auf dem roten Sofa, das ihre Alltagsprobleme und Teilhabebeschränkungen als Familie mit einem behinderten Kind schilderte – mit harten Worten: „Familie Kiel spricht aus, was Familien erleben“, betonte Dr. Andrino. „Das sind Alltagsrealitäten, die wir Ärzte uns nicht vorstellen können. „Wir erleben, wie leer die Worthülse Inklusion ist. Wir wollen nicht immer nur hören, was nicht geht, wir würden gerne mal hören, was geht“, kritisierten die Kiels.
Festredner Heribert Prantl, deutscher Autor, Journalist und Jurist, führte in seiner Keynote aus, dass Demokratie Inklusion brauche. „Inklusion ist Schicksalskorrektur“, unterstrich der Kolumnist der Süddeutschen Zeitung und Kommentator und Essayist von Sueddeutsche.de. Hilfebedürftigkeit gehöre zum Menschsein.
Gleichermaßen viel Beifall erntete Schirmherr Jürgen Dusel. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen führte in seinem Vortrag drei Punkte seiner Arbeitsagenda aus. Große Beachtung fand allen voran seine Forderung, künftig der Expertise der Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) zu vertrauen und durch weniger Prüfungen von Hilfsmittelverordnungen durch den Medizinischen Dienst wertvolle Ressourcen aller Beteiligter einzusparen. Das übergeordnete Ziel des Bundesbeauftragten: Barrierefreiheit soll als Qualitätsstandard für ein modernes Land gelten.
Wie viel Qualität in der Versorgung von Kindern mit CP steckt, das zeigten die zahlreichen hochkarätigen Vorträge und auch die anschließenden Diskussionen. Gerade in den kleineren Seminarräumen kam zwischen den verschiedenen Akteur:innen immer wieder ein informativer Dialog zustande. Aber auch in den größeren Räumen konnte dank Mikrofon und Lautsprecher jede und jeder ihre bzw. seine Frage stellen. Vor allem der interprofessionelle Austausch war ein Plus. So meldete sich ein Physiotherapeut beispielsweise nach dem Vortrag von Orthopädietechnik-Meister Gerhard Bieber, Adviva, zu Wort, der seiner Freude Ausdruck verlieh, endlich einmal von muskelaktivierenden Orthesen gehört zu haben. „Darauf kommt es an“, bilanzierte Dr. Andrino anschließend.
Neben dem umfangreichen Kongressprogramm bot sich den Besucher:innen auch eine Industrieschau, bei der sich sowohl Versorger als auch Betroffene zu den Neuerungen aus der Branche informieren konnten und so einen Einblick in die Gegenwart und Zukunft der Hilfsmittelversorgung von Kindern mit Cerebralparese erlangten.
Einen ausführlichen Nachbericht finden Sie in der gedruckten Märzausgabe der ORTHOPÄDIE TECHNIK.
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