Aus Gema­tik wird Digitalagentur

Vor fast zwei Jahrzehnten wurde die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte – kurz ­Gematik – gegründet. Nun wird sie nach dem Willen des Bundeskabinetts zu einer Digitalagentur ausgebaut.

Mit­te Juli gab es die ent­spre­chen­de Zustim­mung zu dem Gesund­heits-­Di­gi­ta­l­agen­tur-Gesetz (GDAG). Ziel soll es sein, dass die Digi­ta­l­agen­tur künf­tig mehr die Ent­wick­lung der Digi­ta­li­sie­rung des Gesund­heits­we­sens und in der Pfle­ge steu­ert. Das bedeu­tet mehr Ver­ant­wor­tung für die Gesamt­pro­zes­se bei der Ent­wick­lung der Digi­tal­pro­duk­te. Der Pro­zess von der Erstel­lung der Spe­zi­fi­ka­ti­on über die Aus­schrei­bung von Ent­wick­lung bzw. Betrieb der Kom­po­nen­ten, Diens­te und Anwen­dun­gen bis hin zur Ver­pflich­tung der Anbie­ter und Her­stel­ler, Maß­nah­men zur Stö­rungs­be­sei­ti­gung zu ent­wi­ckeln, wird eine Kern­auf­ga­be sein.

Das bei der Digi­ta­l­agen­tur ange­sie­del­te Kompetenz­zentrum für Inter­ope­ra­bi­li­tät im Gesund­heits­we­sen (KIG) erhält wei­te­re Auf­ga­ben, um sicher­zu­stel­len, dass Anwen­dun­gen inter­ope­ra­bel sind und die Anwen­dun­gen die Ver­sor­gung spür­bar ver­bes­sern. Zudem erhält die Digi­ta­l­agen­tur mehr Kom­pe­ten­zen zur Stö­rungs­be­sei­ti­gung und wird mit wei­te­ren hoheit­li­chen Auf­ga­ben ausgestattet.

Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Prof. Karl Lau­ter­bach erklärt: „Die Auf­hol­jagd in der Digi­ta­li­sie­rung geht wei­ter. Digi­ta­li­sie­rung ist die Zukunft guter Medi­zin. Die neue Digi­ta­l­agen­tur soll ermög­li­chen, dass durch ihre Durch­griffs- und Auf­sichts­rech­te, digi­ta­le Infra­struk­tur wie Pra­xis­soft­ware, die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te oder digi­ta­le Kran­ken­haus­ak­ten auch zuver­läs­sig und schnell funk­tio­nie­ren. Ärz­tin­nen und Ärz­te müs­sen Digi­ta­li­sie­rung auch als Hil­fe im Pra­xis­all­tag erfah­ren. Davon hängt die Akzep­tanz der Digi­ta­li­sie­rung ab.“

Kri­tik an Finan­zie­rung und Rahmenbedingungen

Der Bun­des­ver­band Gesund­heits-IT (BVITG) und der ­Digi­tal­ver­band Bit­kom kri­ti­sie­ren in einer gemein­sa­men Stel­lung­nah­me das GDAG. Vor allem der Ein­griff in den Wett­be­werb und die Bestim­mung von Rah­men­be­din­gun­gen für die Gesund­heits­di­gi­ta­l­agen­tur per Rechts­ver­ord­nun­gen wer­den beanstandet.

„Eine zen­tra­le Insti­tu­ti­on zum Betrieb einer Telematik­infrastruktur und zur Sicher­stel­lung der Inter­ope­ra­bi­li­tät ist sinn­voll und not­wen­dig. Aller­dings stellt sich in einem markt­wirt­schaft­lich aus­ge­rich­te­ten Wirt­schafts­sys­tem wie dem unse­ren schon die Fra­ge: Wo fängt die Regu­lie­rungs­zu­stän­dig­keit der zen­tra­len Insti­tu­ti­on an, und vor allem, wo soll­te sie enden? Durch den Geset­zes­ent­wurf fin­det nicht nur eine Wett­be­werbs­ver­zer­rung statt. Zusätz­lich wer­den auch markt­wirt­schaft­li­che Akteu­re gehin­dert, durch Krea­ti­vi­tät opti­ma­le Lösun­gen und Mehr­wer­te für die Nut­zen­den ent­wi­ckeln zu kön­nen“, erläu­tert BVITG-Geschäfts­füh­re­rin Mela­nie Wendling.

Bit­kom-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Dr. Bern­hard Roh­le­der ergänzt: „Ange­sichts zuneh­men­der Kom­ple­xi­tät im Gesund­heits­we­sen brau­chen wir eine moder­ne Digi­ta­l­agen­tur für Gesund­heit, die Stan­dards fest­legt und ihre Ein­hal­tung über­wacht. Was wir aber nicht brau­chen, ist eine Gema­tik, die selbst bestimm­te Anwen­dun­gen ent­wi­ckelt oder aus­schreibt. Digi­ta­le Lösun­gen müs­sen im Wett­be­werb ent­ste­hen und ent­wi­ckelt wer­den, der Wett­be­werb ist der bes­te Trei­ber von Inno­va­tio­nen zum Woh­le der Pati­en­tin­nen und Patienten.“

Dr. Doris Pfeif­fer, Vor­stands­vor­sit­zen­de des GKV-Spit­zen­ver­ban­des, kri­ti­siert den Gesetz­ent­wurf: „Die grund­sätz­li­che Inten­ti­on des Gesetz­ge­bers, mit dem Gesund­heits-Digi­ta­l­agen­tur-Gesetz die Benut­zer­freund­lich­keit und Leis­tungs­fä­hig­keit der TI-Anwen­dun­gen zu opti­mie­ren und ins­ge­samt die Wei­ter­ent­wick­lung der Digi­ta­li­sie­rung im Gesund­heits­we­sen zu beschleu­ni­gen, begrü­ßen wir. Die geplan­te Ver­pflich­tung der Her­stel­ler etwa, nicht nur die rein tech­ni­sche Inte­gra­ti­on der TI-Schnitt­stel­le in die Pra­xis­ver­wal­tungs­sys­te­me, son­dern auch die tat­säch­li­che Nutz­bar­keit zu gewähr­leis­ten, hal­ten wir für hilf­reich. Auch die Mög­lich­keit, dass die neue Digi­ta­l­agen­tur Stö­rungs­be­sei­ti­gun­gen bei den Her­stel­lern ein­for­dern und alter­na­tiv eige­ne Maß­nah­men zur Stö­rungs­be­sei­ti­gung ergrei­fen kann, könn­te eine posi­ti­ve Wir­kung haben. Der mit die­sem Gesetz geplan­te Umbau der Gema­tik zur Digi­ta­l­agen­tur Gesund­heit wirft in der vor­ge­se­he­nen Form aller­dings auch erheb­li­che finanz- und ord­nungs­po­li­ti­sche Pro­ble­me auf. Für das Erfül­len neu­er Auf­ga­ben braucht es bekannt­lich Geld – ent­spre­chen­de Kos­ten­stei­ge­run­gen sind im bis­he­ri­gen Gesetz­ent­wurf aber in kei­ner Wei­se berück­sich­tigt. Fest steht: Die – stei­gen­den – Aus­ga­ben der neu­en Digi­ta­l­agen­tur wer­den wei­ter­hin zu 93 Pro­zent von den Bei­trags­zah­len­den der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung auf­ge­bracht wer­den müs­sen. Und auch zukünf­tig wird das Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um mit sei­nem Gesell­schaf­ter­an­teil von 51 Pro­zent und ein­fa­cher Mehr­heits­ent­schei­dung in der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung letzt­lich über die­se Mit­tel ent­schei­den kön­nen. Die Kran­ken­kas­sen haben also kei­nen Ein­fluss auf einen wirt­schaft­li­chen Ein­satz der Gel­der der Bei­trags­zah­len­den. Ange­sichts der geplan­ten Rege­lung, dass das Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um zukünf­tig wei­te­re neue Auf­ga­ben jeder­zeit per Rechts­ver­ord­nung an die Digital­agentur Gesund­heit über­tra­gen kön­nen soll, ver­schärft sich die­se Pro­ble­ma­tik noch.“

 

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