Ob Pepper, Zora oder Alexa – digitale Assistenzsysteme werden zumeist mit menschlichen Namen und teils mit humanoiden Gesichtszügen ausgestattet. Das Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) setzt mit seinem mobilen Kommunikationsroboter „MobiKa“ bewusst auf eine technische Optik.
So ist das Herzstück des Roboters, ein höhenverstellbares Tablet, an einer mobilen, radgetriebenen Roboterplattform angebracht. „Das Design soll die Funktion des Roboters als Werkzeug des Nutzers unterstreichen“, erläutert Florenz Graf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IPA und Mitentwickler des Roboters.
Der Kommunikationsroboter wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „Emotionssensitive Assistenzsysteme zur reaktiven psychologischen Interaktion mit Menschen“ des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF) entwickelt. Ziel des Forschungsteams, das aus Forschungseinrichtungen, technischen Partnern und Endanwendern bestand, war es, ein Assistenzsystem zu entwickeln, das zum Beispiel demenziell Erkrankte, ob zu Hause oder in einer stationären Einrichtung, individuell unterstützt und anregt, um so ihre Lebensqualität zu verbessern.
Entsprechend mobil einsetzbar ist der Roboter nach Angaben des IPA. Er verfüge über ein ebenfalls am IPA entwickelte Navigationssoftware, die es ihm erlaube, sich autonom zu einem vorgegebenen Ziel zu bewegen. Die Personenerkennung der Software ermögliche es dem Roboter, gezielt auf Menschen zuzufahren und über das Tablet Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Dadurch könne der Roboter im Ernstfall, etwa bei einem Sturz des Nutzers, zur hilfsbedürftigen Person fahren und über den Bildschirm eine Notfallzentrale kontaktieren. Jenseits von Notfällen unterstütze das Gerät, so das IPA, Betroffene mit weiteren Telepräsenz‑, Telemedizin‑, Interaktions- oder Erinnerungs‑, Aktivierungs- oder Entertainmentfunktionen. So könnten etwa ein integrierter Sensor und eine Objekterkennungssoftware dafür sorgen, dass der Roboter sich auch für das Auffinden von Gegenständen eigne oder mithilfe einer zusätzlichen Ablagefläche diese auch transportieren könne. „Die Einsatzoptionen des ‚MobiKa‘ als universelle Plattform sind vielfältig und kostengünstig“, erklärt Graf. „Mithilfe industrieller Partner wollen wir das kommerzielle Potenzial des Roboters heben.“
Im Gespräch erläutert Graf unter anderem, wo das Projekt heute steht und inwieweit potenzielle Partner die technische Weiterentwicklung mitgestalten können.
OT: Sie haben den Prototyp in einer Partnereinrichtung getestet. Wie haben die Bewohner auf den Roboter reagiert?
Florenz Graf: Wir haben beobachtet, dass die Bewohner den Roboter interessant fanden und als eine Abwechslung in ihrem Alltag wahrnahmen. Sie waren neugierig, aktiver als üblich und manches Mal entstand sogar eine Art Gemeinschaftsgefühl, zum Beispiel, wenn sie gemeinsam ein Quiz spielten.
OT: Sie nennen MobiKa eine universelle Plattform. Wie können eventuelle Partner oder Nutzer Einfluss nehmen auf die konkrete Ausgestaltung der Plattform?
Graf: Das würde im Rahmen eines gemeinsamen Workshops oder längerfristigen Projekts geschehen. Interessenten können mit uns ihre Idee besprechen und gemeinsam erstellen wir bei Bedarf Konzepte und Machbarkeitsanalysen oder setzen die entsprechenden Hardware- und Softwareanforderungen für den Anwendungsfall passend um. Wir sehen hier sowohl Firmen als Partner sowie auch andere Forschungseinrichtungen, die mit MobiKa einen kostengünstigen und gut anpassbaren Serviceroboter für ihre Forschungsaktivitäten erhalten können.
OT: Ab wann rechnen Sie mit dem Launch des Systems auf dem Gesundheitsmarkt?
Graf: Das hängt weitgehend davon ab, wie schnell wir einen interessierten Partner finden. Und das können wir nur teilweise beeinflussen, sodass eine Prognose schwierig ist.
OT: Mit welchen Anschaffungskosten sollten Nutzer kalkulieren?
Graf: Aktuell haben wir eine seriennahe Plattform im Betrieb. Wir schätzen, dass eine Serienversion für die Nutzer preislich im niedrigen vierstelligen Bereich liegen wird. Der genaue Preis ist hier natürlich von der Stückzahl und der Konfiguration abhängig.
OT: MobiKa sammelt eine ganze Reihe von Daten. Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
Graf: Selbstverständlich hält MobiKa die gängigen Datenschutzregeln der EU ein, die Deutschland im Rahmen der DSGVO umsetzt. In der aktuellen Version verarbeitet MobiKa alle Daten on-board, also lediglich im System selbst, und unpersonalisiert. Die Daten müssen nicht zwangsläufig gespeichert oder an externe Server gesendet werden. In Verbindung mit externen Systemen, wie zum Beispiel einer Sturzerkennung, können die erfassten Daten optional auf einem deutschen Server oder auch nur lokal im Heimnetz gespeichert werden. Zugriff darauf erhielten nur die notwendigen Kontakte wie eine Notrufzentrale oder Verwandte.
Die Fragen stellte Ruth Justen.
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