Die beiden hatten sich für das Reisestipendium, das die Confairmed GmbH und die Internationale Gesellschaft für Prothetik und Orthetik (ISPO) vergeben, beworben und so ihre Eintrittskarte für Leipzig erhalten. Damit soll Menschen aus einkommensschwachen Ländern ein internationaler und fachlicher Austausch samt Weiterbildung ermöglicht werden. Im Gespräch mit der OT-Redaktion berichten die beiden von ihren Erwartungen und Erfahrungen auf der OTWorld.
OT: Wie sind Sie auf das Travel Stipend aufmerksam geworden?
Anarème Kpandressi: Das erste Mal habe ich 2019 von einem indischen Kollegen davon gehört. Er verwies mich auf die OTWorld-Website und ich habe mich für die nächste Ausgabe beworben. Ich hatte das Glück, eine Zusage zu erhalten, konnte aber nicht teilnehmen, weil ich bei der Arbeit eingebunden war. Im vergangenen Jahr hat mich die OTWorld als früheren Bewerber in einem Schreiben darüber informiert, dass das Stipendium wieder ausgeschrieben ist. Ich habe mich erneut beworben und hatte Erfolg!
Zia Ur Rehman: Ich habe davon über Linked-In erfahren.
OT: Warum braucht es solche Stipendien?
Kpandressi: Ohne das Stipendium hätte ich nicht an dieser OTWorld teilnehmen können. Das ist der Hauptgrund, warum man nicht viele afrikanische Fachleute auf der Veranstaltung gesehen hat. Die Kosten für Tickets, Unterkunft, Verpflegung und Visa sind für uns sehr hoch. Leider haben unsere Länder nicht das Budget, um solche Reisen zu finanzieren. Wenn die Verantwortlichen die Gesamtkosten mit einigen anderen Ausgaben vergleichen, würden sie das Geld lieber in etwas anderes investieren. Ohne Unterstützung ist es unmöglich, an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen.
Rehman: Reisestipendien sind eine große Unterstützung für Menschen in einkommensschwachen Ländern, da sie ihnen die Chance bieten, an wertvollen Veranstaltungen wie der OTWorld teilzunehmen, die den Wissensaustausch sowie die Gelegenheit zum Networking ermöglichen. Dies wäre den Menschen ansonsten verwehrt.
OT: Warum war es Ihnen ein Anliegen, zur OTWorld zu kommen? Was haben Sie sich vom Besuch erhofft?
Kpandressi: Die OTWorld ist eine großartige Gelegenheit für uns Orthopädietechniker, um uns über die Fortschritte im Bereich Prothetik und Orthetik zu informieren und uns inspirieren zu lassen, um die Versorgungsmöglichkeiten, die Ausbildung und die Lehrmaterialien und ‑techniken in unseren Rehabilitationszentren und Ausbildungseinrichtungen in unseren Ländern zu fördern. Solche Veranstaltungen sind unerlässlich, um uns weiterzubilden, unser Wissen zu erweitern und uns zu kompetenten Fachleuten zu entwickeln, die Menschen mit Behinderungen helfen, die bestmögliche Behandlung zu erhalten. Es ist auch eine Plattform, um mit Fachleuten, Herstellern und Fachverbänden aus der ganzen Welt zusammenzuarbeiten.
Rehman: Der Besuch war für mich ein Game-Changer. Ich habe der Veranstaltung viel Bedeutung beigemessen und war mit der Hoffnung zur OTWorld gekommen, etwas über die Entwicklungen im Bereich der Hilfsmitteltechnologie zu erfahren sowie Fachleute und potenzielle Kollegen und Geschäftspartner zu treffen.
OT: Wurden Ihre Erwartungen erfüllt?
Kpandressi: Ja, meine Erwartungen wurden erfüllt.
Rehman: Ich habe mehr mitgenommen, als ich erhofft hatte. Der Kongress und die Fachmesse waren hochkarätig und inspirierend.
OT: Was waren für Sie die Highlights des Kongresses und der Messe?
Kpandressi: Der Veranstaltungsort, die Organisation, die Qualität der Produkte, die Präsentationen, die Atmosphäre, der Austausch, die Menschen, die enormen Fortschritte in der Prothetik und Orthetik zu entdecken, die aufstrebenden Hersteller – insbesondere aus Asien –, die Kontakte, die ich knüpfen konnte, und vieles mehr.
Rehman: Die Highlights waren für mich die aufschlussreichen Vorträge, innovative Produkte zu entdecken und mit Experten aus verschiedenen Fachgebieten zu diskutieren.
OT: Auf der OTWorld kamen Expert:innen aus der ganzen Welt zusammen. Konnten Sie von dem internationalen Austausch profitieren?
Kpandressi: Ja, ich habe viel gelernt! Ich habe an einem Workshop mit dem Titel „Produkte für Schwellenländer“ teilgenommen, wo ich sehr gute und erschwingliche Produkte entdeckt habe. Ich kam auch mit weiteren Herstellern in Kontakt, deren Produkte ebenfalls sehr gut und zugleich bezahlbar sind und die in Afrika, wo nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen, nützlich sein können. Ich konnte sogar einige Aussteller dafür gewinnen, uns in Afrika zu besuchen und den Markt zu erkunden. Eine solche Gelegenheit wird den Zugang zu erschwinglichen Qualitätsprodukten in Afrika verbessern – davon werden wir sehr profitieren. Ich konnte auf der OTWorld auch Unterrichtsmaterial für Schüler und Lehrer erwerben. Mir wurde zudem eine Orthese aus Karbonfaser geschenkt, die bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten eingesetzt wird. Damit werde ich jemandem in meinem Land, der sich in einer solchen Lage befindet, helfen. Ich habe auf der OTWorld neue Leute kennengelernt, mich mit ihnen ausgetauscht, Kontakte geknüpft und hoffe, dass sich daraus mehr entwickeln wird.
Rehman: Der internationale Austausch war toll. Es war eine großartige Gelegenheit, mit Fachleuten mit unterschiedlichem Hintergrund in Kontakt zu treten und lehrreiche Erkenntnisse zu gewinnen. Ich konnte von den verschiedenen Blickwinkeln profitieren, Erfahrungen austauschen und Kontakte zu Gleichgesinnten aus der ganzen Welt knüpfen.
OT: Herr Kpandressi, Sie kommen aus Togo, Herr Rehman, Sie aus Pakistan. Wie groß ist dort der Bedarf an Hilfsmitteln und was sind aktuell die größten Herausforderungen in der Hilfsmittelversorgung?
Kpandressi: Nach dem letzten Bericht, den ich einsehen konnte, leben in Togo etwa 1.102.650 Menschen mit Behinderungen, von denen 110.265 (1,5 Prozent) Rehabilitationsmaßnahmen und 36.755 (0,5 Prozent) medizinische Hilfsmittel wie Prothesen und Orthesen benötigen. Die größten Herausforderungen sind erstens zu schwache Führung, Verwaltung, Planung und Koordinierung des Rehabilitationssektors, um seine Arbeit und Transparenz zu verbessern, zweitens die fehlende Entwicklung von Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und ‑ausbildung, um das Angebot und die Qualität der Versorgung zu verbessern, drittens der begrenzte Zugang zu qualitativ hochwertiger Versorgung, die das gesamte Gesundheitsspektrum abdeckt, viertens der eingeschränkte Zugang zu hochwertigen medizinischen Hilfsmitteln und fünftens die unzureichenden Informations‑, Dokumentations- und Auswertungssysteme im Rehabilitationsbereich, um faktengestützte Daten für die Entscheidungsfindung zu erhalten.
Rehman: Der Bedarf an medizinischen Hilfsmitteln ist in Pakistan beträchtlich, die Verfügbarkeit jedoch herausfordernd, was die Bekanntheit, die Finanzierbarkeit und den Zugang betrifft.
Die Fragen stellte Pia Engelbrecht.
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