Im Gespräch mit der OT-Redaktion erläutert Referent Nils Smith, stellvertretender Leiter des Referats „Wirtschaft & Verträge“ des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT), was die Seminarteilnehmer:innen erwartet.
OT: 95 Krankenkassen gibt es – Stand 1. Januar 2024 – aktuell. Wie können kleinere Betriebe im Alltag den Überblick über die Vertragslandschaft behalten?
Nils Smith: Sanitätshäuser verwalten für circa 70 Kostenträger jeweils bis zu 30 Versorgungsbereiche, um die von den Versicherten benötigten Hilfsmittelversorgungen vollumfänglich abzudecken. Aufgrund der Masse ist es schwierig, den Überblick im Tagesgeschäft zu behalten, dennoch bleiben den Betrieben verschiedenste Möglichkeiten, um sich den Versorgungsalltag zu vereinfachen.
Eine Möglichkeit ist, die von den Kostenträgern in Formularen und Dokumenten geforderten Inhalte zu bündeln und entsprechende Muster für die vertraglich vereinbarten Dokumentationen zu erstellen. Ergänzend hierzu sollte hausintern geprüft werden, ob bestimmte Prozesse optimiert und Arbeitsweisen verschlankt beziehungsweise für alle Kostenträger angeglichen werden können.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die sorgfältige Pflege der Daten in der eigenen Branchensoftware mit Vertragsbeitritten und Preislistenaktualisierungen. So wird Irritationen im Rahmen der Abrechnung vorgebeugt und die Beantragung wird effizienter gestaltet. Zudem haben die Leistungserbringer die Möglichkeit, sich bei ihrem jeweiligen vertragsschließenden Verband Informationen über die Verträge einzuholen.
OT: Welchen Beitrag leistet der BIV-OT?
Smith: Die Verwaltungsvereinfachung ist im Rahmen der Vertragsverhandlungen ein wichtiger Teil unserer Arbeit, schließlich vertreten wir die Interessen aller Betriebe am Markt, unabhängig von der Unternehmensgröße. Unser Bestreben ist es, Verträge mit allen Kostenträgern möglichst harmonisiert und schlank zu verhandeln, wodurch das Handling in der Verwaltung deutlich vereinfacht wird und auch Betriebe mit einer geringen Mitarbeiterzahl leicht verständliche Verträge umzusetzen haben.
Die vom BIV-OT abgeschlossenen Rahmenverträge und Anlagen sind juristisch geprüft und aus fachlicher Sicht von Experten bewertet. Hierdurch geben wir den Mitgliedsbetrieben die Sicherheit, dass sie bedenkenlos den von uns geschlossenen Verträgen beitreten können. Darüber hinaus stellen wir unseren Mitgliedsbetrieben Informationen zu den Verträgen in unserem Mitgliederportal zur Verfügung und versuchen mit verschiedensten Übersichten wichtige Informationen gebündelt bereit zu stellen. Neben den Hilfestellungen, die wir unseren Mitgliedern tagtäglich im persönlichen Austausch bieten, halten wir aber auch Schulungen zu den Neuerungen in den Verträgen.
OT: Welche Inhalte stehen bei dem Seminar rund ums Thema Vertragsschulung im Fokus?
Smith: Inhaltlich ist unsere Vertragsschulung so aufgebaut, dass wir im ersten Teil auf die Grundvoraussetzungen wie zum Beispiel gesetzliche Bestimmungen oder den vertraglichen Aufbau eingehen. Im Anschluss stellen wir jüngst abgeschlossene Verträge vor und gehen im Detail auf die einzelnen Veränderungen bei den jeweiligen Kostenträgern ein. Was sich über die letzten Jahre bemerkbar macht, ist, dass viele Verträge, was die Leistungspositionen angeht, schon stark harmonisiert worden sind. Nichtsdestotrotz gibt es immer wieder Neuerungen, die aufgrund des technischen Fortschritts oder eventueller Anpassungen im Hilfsmittelverzeichnis notwendig sind. Gleichzeitig geben wir einen Überblick über die am Markt befindlichen Stundenverrechnungssätze, Genehmigungsfreigrenzen und Besonderheiten in der Abrechnung. Selbstverständlich gehen wir im Rahmen des Seminars auch auf individuelle vertrags- und abrechnungsrelevante Fragen der Teilnehmer ein. Wir erläutern Problemfälle oder wichtige Inhalte, die uns im Rahmen der Verhandlung seitens der Kostenträger geschildert werden, und versuchen, die teilnehmenden Leistungserbringer für bestimmte Themen zu sensibilisieren und ihnen die Beweggründe für Entscheidungen unsererseits darzustellen. Zuletzt geben wir einen Ausblick auf zukünftige Verträge und verweisen auf unser Mitgliederportal, da wir immer wieder feststellen, dass viele Mitarbeiter nicht den vollen Umfang unserer zur Verfügung gestellten Daten und Dokumente kennen.
OT: Mit welchen Fragestellungen treten die Teilnehmenden häufig an Sie heran?
Smith: Der Großteil der Fragen, die uns in den Schulungen und im Alltag erreichen, beziehen sich auf Abrechnungsschwierigkeiten mit einem Kostenträger oder sind fachlicher Natur. Hier geht es hauptsächlich um Auslegungsdifferenzen bei bestimmten Leistungspositionen oder wie bestimmte Versorgungen korrekt kalkuliert werden können. Oft gefragt wird aber auch nach weiterer Vereinheitlichung in den Verträgen oder wann Neuabschlüsse zu erwarten sind.
OT: Der Teufel steckt bekanntermaßen im Detail. Wo lauern typische Fehlerquellen bei der Erstellung von Kostenvoranschlägen sowie bei der Abrechnung?
Smith: Typische Fehlerquellen sind die inhomogenen vertraglichen Regelungen der Kostenträger. Hierzu zählen zum einen unterschiedliche Positionsnummern und Produktbesonderheiten für ein und dasselbe Produkt, zum anderen aber auch unterschiedliche Leistungsinhalte in den jeweiligen Verträgen oder unterschiedlich lautende Regelungen für Genehmigungsfreigrenzen. Auch die unterschiedlichen Erwartungen der Kostenträger an die Inhalte der Dokumentationen und die Übermittlung von Daten stellen die Leistungserbringer vor viele Herausforderungen. Anfangs hatten wir auch über die Pflege der betriebseigenen Daten in der Branchensoftware gesprochen. Weiterhin eingespielte Altverträge führen aufgrund falscher Preise und Leistungserbringergruppenschlüssel ebenfalls zu Fehlern. Hiervon unabhängig führen unklare Definitionen in den Verträgen zu Auslegungsdifferenzen zwischen Leistungserbringer und Kostenträger. Hier werden wir oft als Mediator eingeschaltet. Grundsätzlich können wir sagen, dass gerade durch die Arbeit der vergangenen Jahre viele Inhalte in den Verträgen deutlich vereinfachter und klar strukturierter dargestellt werden konnten und sich die Anzahl der Fehler beziehungsweise damit einhergehende Fragen und Probleme deutlich verringert haben.
OT: Es kommt nicht nur auf das Was, sondern auch auf das Wie an. Wie gelingt die Kommunikation mit den Vertragspartnern?
Smith: Dadurch, dass wir viele unserer Vertragspartner seit langer Zeit kennen, pflegen wir einen sehr offenen und konstruktiven Austausch. Alle Parteien sind daran interessiert, Probleme und Unklarheiten lösungsorientiert anzugehen. Ziel ist es, die künftigen Verträge klarer und verständlicher zu definieren, um Abrechnungsprobleme zu vermeiden. Kurze und einfache Wege werden bevorzugt, nicht ohne Grund haben wir mit einigen Kostenträgern FAQ-Listen zu den jeweiligen Verträgen erstellt. Geplant ist, dass die Inhalte der FAQ-Listen in den künftigen Nachverhandlungen in die Verträge aufgenommen werden.
Die Fragen stellte Pia Engelbrecht.
Die nächsten Seminare finden am 13. Juni sowie am 14. November 2024 jeweils von 10 bis 12 Uhr und 13 bis 15 Uhr statt. Die Anmeldung erfolgt online über die Website der Confairmed unter www.confairmed.de.
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