Unter Moderation der TV- und Radiojournalistin Carolin Kuhn warfen die Referent:innen einen Blick in die Zukunft und zeigten Wege auf, den Einflüssen in der Hilfsmittelbranche zu begegnen. Den Anfang machte Rainer Volkmer, Gründer und Macher des Branchennetzwerkes Salitaris. Er legte den Fokus auf die Herausforderungen und Triebkräfte der Branche. Seine Kernthese: Die Disruption (= Störung, Unterbrechung des Bisherigen; Anm. d. Red.) beschleunigt sich und wird konkreter. Alte Geschäftsmodelle oder Technologien werden durch innovative Lösungen ersetzt. „Wir werden angegriffen und haben noch keine Lösung dafür“, verwies er auf das aktuelle Streitthema Online-Einlagenversorgung. Und: „Weitere kreative Start-ups stehen zahlreich vor der Tür.“
AG Telematik zum E‑Rezept
„Neues zum E‑Rezept und zur elektronischen Patientenakte“ erläuterte Alf Reuter, Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT). Da die Anbindung der Betriebe an das E‑Rezept erst für 2026 vorgesehen ist, sei das Thema E‑Rezept in der Hilfsmittelversorgung noch nicht ausreichend in der Öffentlichkeit präsent. Der Spitzenverband sei aber schon seit 15 Jahren daran beteiligt, die Digitalisierung des Versorgungsprozesses zu entwickeln – aktuell mit einer vom BIV-OT initiierten „AG Telematik“ inklusive Feldtest. So war der BIV-OT z. B. Gründungsmitglied des eGBR (elektronischen Gesundheitsberuferegisters), das sich früh mit Problemen einer Kartenausgabe an die Betriebe beschäftigt hatte. Neben manchen Herausforderungen enthalte die Digitalisierung des Versorgungsprozesses für die Branche auch Chancen und Vorteile – unter anderem schnellere Abläufe, weniger Bürokratie sowie bessere Forschungsgrundlagen.
Zukunftsforscher Kai Gondlach forderte die Unternehmer:innen zu einem Perspektivwechsel auf. „Denken Sie über das Tagesgeschäft und über die Gegenwart hinaus – denken Sie in Zukunftsbildern, in Möglichkeiten, in Projektionen, in Visionen. Und zwar nicht nur einmal im Jahr, sondern permanent. Und entwickeln Sie dazu passende Handlungsstrategien.“
„Neue Wege gehen, neue Medien nutzen“, betonte Yvonne Meier, Geschäftsführerin der Orthopädietechnik Service aktiv aus Greifswald, und zog als Beispiel „Sani Kid“ heran – eine Sanitätshaus-App, die sie u. a. mit Nils Behre, Geschäftsführer des Sanitätshauses C.W. Hoffmeister in Braunschweig, entwickelt hat. Die App ermöglicht, die Kommunikation mit Kunden:innen teilweise automatisiert zu gestalten und die Beschäftigten von zeitaufwendigen Routinen zu entlasten. Behre setzt auf Business Intelligence zur systematischen Unternehmenssteuerung mit Kennzahlen. Mit „Delta-Master“ hat er die für ihn geeignete Software gefunden. Sie erlaube ihm, auf einfache Weise Datenbanken umfassend auszuwerten und das eigene Unternehmen tagesaktuell und differenziert zu analysieren.
Betriebe verschlafen Digitalisierung
„It‘s time to move“ – so lautete der Appell von Timo Scharpenberg, Geschäftsführer von Care Integral aus Bad Schwartau. Sein Unternehmen hat den nach eigenen Angaben weltweit ersten Online-Covid-Schnelltest auf den Markt gebracht. „Wir sind gerade in der wichtigsten Phase der Digitalisierung, doch es gibt viele Betriebe, die diese verschlafen.“ Norbert Bertram, Geschäftsführer des Verbands Versorgungsqualität Homecare (VVHC), forderte im Rahmen der Salitaris-Veranstaltung die Sanitätshäuser dazu auf, mutiger aufzutreten und verstärkt zusammenzuarbeiten, um den Kontakt mit den Krankenkassen auf Augenhöhe zu gestalten und bessere Vertragspreise herauszuholen.
Sven Koppelwiser, Key-Account-Manager beim Pflegebetten-Hersteller Burmeier, ließ in seinem Vortrag die Entwicklungen der vergangenen Monate in der Branche Revue passieren: Die Bedingungen für die Abgabe von Hilfsmitteln seien im Zuge der Pandemie teilweise gelockert worden. Neue Wettbewerber hätten mit innovativen Produkten und Dienstleistungen gepunktet. Dazu seien die Preise für Rohstoffe und Logistik extrem gestiegen – dies gefährde die Versorgung mit Hilfsmitteln. Sein Aufruf: „Seien Sie mutig in den Verhandlungen mit den Kassen, stellen Sie Ihre Kostensteigerungen transparent dar, agieren Sie geschlossen.“ Einen Blick in die Zukunft warf Erik Jung vom Fraunhofer-Institut. Welche Innovationen bringt die Digitalisierung für die Medizintechnik? Sein augenzwinkerndes Fazit: Es wird sehr viel Neues möglich sein – „solange die Batterie hält“.
Anlässlich der kurz zuvor erfolgten Bundestagswahl erwartet Wolfgang Bosbach ein zähes Koalitionsverfahren. Für den CDU-Politiker stellen Energiepolitik, Gesundheit und Pflege zentrale Themen für die neue Regierung dar. Um anstehende Herausforderungen zu meistern, brauche es Mut und neue Ideen. Eigenschaften, die er auch von deutschen Unternehmern verstärkt erwartet, wie er auf der Salitaris-Veranstaltung herausstellte.
Rainer Volkmer, der mit der von ihm und Thomas Schwarz geführten Volkmer Management (Nürnberg) hinter Salitaris steht, nutzte das Gipfeltreffen, um seinen Wunschkandidaten für die Nachfolge vorzustellen: Josef Mossburger, Senior Consultant im Volkmer-Team, soll in absehbarer Zeit die Leitung des Netzwerks übernehmen. Mit 16 Jahren Erfahrung in der medizinischen Hilfsmittelbranche sowie seiner Kompetenz in Sachen Projekt- und Prozessmanagement, Unternehmensentwicklung und Innovationsmanagement sei er der Richtige für diese Aufgabe.
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