Akzep­tanz des Hilfs­mit­tels durch stim­mi­ges Design

„Luis Hug“ ist ein interaktives Soundkissen, das Menschen mit besonderen Bedürfnissen unterhalten, entspannen sowie zur Kreativität und Selbstständigkeit anregen soll. Entwickelt wurde es von der damals noch angehenden Industriedesignerin Sophie Rolshoven im Rahmen ihrer Bachelorarbeit. Unterstützung erhielt sie dabei von Daniel Gerstner, Orthopädietechniker sowie Bereichsleiter Sonderbau/Produktentwicklung bei Mannl + Hauck.

Im Gespräch mit der OT-Redak­ti­on ver­rät er, inwie­fern er von der Zusam­men­ar­beit mit der 26-Jäh­ri­gen pro­fi­tiert hat und wel­ches Poten­zi­al er in „Luis Hug“ sieht.

OT: Was hat Sie dazu moti­viert, Frau Rol­s­ho­ven bei ihrer Bache­lor­ar­beit zu unterstützen?

Dani­el Gerst­ner: In ers­ter Linie war ihr Bru­der Luis mei­ne gro­ße Moti­va­ti­on. Er wur­de von uns die letz­ten 14 Jah­re reha­tech­nisch mit diver­sen Hilfs­mit­teln inten­siv ver­sorgt. In die­ser Zeit haben wir vie­le neue Ansät­ze in Luis’ Ver­sor­gung ver­folgt und in unse­rer Son­der­bau­ab­tei­lung umge­setzt. Dabei lernt man sich wie auch die Fami­lie sehr gut ken­nen und in unse­rem Fall hat sich eine enge freund­schaft­li­che Bin­dung auf­ge­baut. Da war es für mich gar kei­ne Fra­ge, Sophie bei ihrem Pro­jekt bera­tend und tech­nisch zu unterstützen.

Was passiert, wenn man auf die Pads schlägt? Das testete Manuel ausgiebig das von Sophie Rolshoven entwickelte Kissen „Luis Hug“.
Was pas­siert, wenn man auf die Pads schlägt?
Das tes­te­te Manu­el aus­gie­big das von Sophie Rol­s­ho­ven ent­wi­ckel­te Kis­sen „Luis Hug“. Foto: Rolshoven

OT: Inwie­fern waren Sie an der Ent­wick­lung von „Luis Hug“ beteiligt?

Gerst­ner: Unse­re Zusam­men­ar­beit in der Ent­wick­lung von „Luis Hug“ begann mit einem Brain­stor­ming, bei dem wir ver­schie­de­ne Ansät­ze für die Bache­lor­ar­beit durch­ge­spro­chen haben. Auf­grund der hohen Kom­ple­xi­tät die­ses The­mas hat Sophie drei Tage in unse­rem Haus hos­pi­tiert. So konn­te sie sich ein ers­tes Bild von der Bran­che und von unse­ren Kund:innen mit ihren spe­zi­fi­schen Anfor­de­run­gen machen. In die­ser Zeit haben wir zur Ideen­fin­dung vie­le Gesprä­che mit Betrof­fe­nen geführt. Lang­sam kris­tal­li­sier­te sich dann das Kon­zept her­aus. Nun ging es an die tech­ni­sche Umset­zung und an die Beschaf­fung der im Pro­dukt ver­bau­ten „smart tex­ti­les“. Hier konn­te ich mit Kon­tak­ten für Lie­fe­ran­ten wei­ter­hel­fen. Sophie kam spä­ter mit ver­schie­de­nen Design­vor­schlä­gen in unse­re Werk­statt, um gemein­sam den Pro­to­typ her­zu­stel­len. Mei­ne Haupt­auf­ga­be war es, den Pro­to­typ und sei­ne Kom­po­nen­ten her­zu­stel­len und in Zusam­men­ar­beit mit unse­rer Nähe­rei die Sen­so­rik in den Über­zug zu inte­grie­ren und in die Elek­tro­nik ein­zu­bin­den. Sämt­li­che Pro­gram­mier­ar­bei­ten und die Erstel­lung der Sound­files wur­den dann wie­der durch Sophie umgesetzt.

OT: Was hat Sie dabei beson­ders herausgefordert?

Gerst­ner: Die Her­aus­for­de­rung für mich bestand haupt­säch­lich in der exak­ten Repro­duk­ti­on der von Sophie vor­ge­ge­be­nen For­men­spra­che. Auch die Inte­gra­ti­on der Sen­so­ren, die sich sowohl leicht erha­ben als auch orga­nisch dar­stel­len soll­ten, war in bestimm­ten Berei­chen etwas knifflig.

Sich trau­en, unkon­ven­tio­nel­le Wege zu gehen

OT: Was neh­men Sie aus dem Pro­jekt und aus der Zusam­men­ar­beit mit Frau Rol­s­ho­ven für sich und Ihren Arbeits­all­tag mit?

Gerst­ner: Die Zusam­men­ar­beit hat mich in mei­nem Arbei­ten und in unse­rer Fir­men­phi­lo­so­phie bestä­tigt, immer mit offe­nen Augen durch die Welt zu gehen, bestehen­de Pro­duk­te zu hin­ter­fra­gen und sich zu trau­en, auch mal ande­re unkon­ven­tio­nel­le Wege zu gehen.

OT: Haben sich durch die Zusam­men­ar­beit mit einer Desi­gne­rin auch Ihre Ansprü­che bzgl. Design verändert?

Gerst­ner: In unse­rem Unter­neh­men und auch in mei­nen per­sön­li­chen Pro­jek­ten hat Design immer eine ent­schei­den­de und wich­ti­ge Rol­le gespielt. Wir sehen es als unse­re Auf­ga­be, nicht nur ein bestehen­des Han­di­cap aus­zu­glei­chen oder zu lin­dern, son­dern auch die Akzep­tanz unse­rer Pro­duk­te bei Nutzer:innen und in ihrer Umwelt durch gelun­ge­nes und stim­mi­ges Design zu ver­bes­sern. Auch ein Hilfs­mit­tel kann, wenn es gut kon­zi­piert ist, auf sei­ne Art „cool“ sein und Nutzer:innen gesell­schaft­lich vor­an­brin­gen. Die Zei­ten, in denen ein Hilfs­mit­tel aus­schließ­lich eine aus­glei­chen­de Funk­ti­on hat­te, haben sich geän­dert. Heu­te ste­hen unse­rer Bran­che so vie­le neue Tech­ni­ken wie die Addi­ti­ve Fer­ti­gung zur Ver­fü­gung, um die Funk­ti­on eines Pro­duk­tes mit einem anspre­chen­den Design zu ver­bin­den, dass es mei­ner Mei­nung nach ein abso­lu­tes Muss ist, die­se auch zu nutzen.

Mehr­wert ist Mehr­auf­wand wert

OT: Wür­den Sie ande­ren OT-Betrie­ben emp­feh­len, mit Stu­die­ren­den zusammenzuarbeiten?

Gerst­ner: Die­se Fra­ge kann ich nur mit einem „Ja“ beant­wor­ten. Denn gera­de bei der Nut­zung neu­er Tech­no­lo­gien kann man in sol­chen Koope­ra­tio­nen für sei­ne eige­ne Arbeit viel mit­neh­men. Es lohnt sich – auch wenn sol­che Pro­jek­te in ers­ter Linie einen gewis­sen Mehr­auf­wand bedeu­ten. Aber der dar­aus resul­tie­ren­de Mehr­wert durch neue Kon­tak­te, ande­re Denk­an­sät­ze oder auch die Wei­ter­ga­be von Infor­ma­tio­nen in bei­de Rich­tun­gen ist jede Anstren­gung wert.

OT: Hat Sie die Zusam­men­ar­beit dazu inspi­riert, sich an wei­te­ren Pro­jek­ten von Stu­die­ren­den zu beteiligen?

Gerst­ner: Ja, wir haben gera­de tat­säch­lich schon die zwei­te Zusam­men­ar­beit im Rah­men einer Bache­lor­ar­beit zum Abschluss gebracht. Dies­mal ging es um den Ent­wurf und die Her­stel­lung eines modu­la­ren Spiel- und Lern­mö­bels für Kin­der mit Ent­wick­lungs­stö­run­gen, das von einer Stu­den­tin des Stu­di­en­gangs „Inte­grier­tes Pro­dukt­de­sign“ der Hoch­schu­le Coburg erdacht wurde.

OT: Noch han­delt es sich bei „Luis Hug“ um einen Pro­to­typ. Sehen Sie in dem Pro­dukt Poten­zi­al, sich am Markt zu etablieren?

Gerst­ner: „Luis Hug“ hat es ver­dient wei­ter­ent­wi­ckelt zu wer­den. Ich sehe gera­de im Bereich der Früh­för­de­rung oder auch im Bereich von unter­stütz­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on einen Markt für ein sol­ches Pro­dukt, das frei pro­gram­mier­bar für alle Nutzer:innen ange­passt wer­den kann. Ob man die ver­bau­te Sen­so­rik für gespro­che­nes Wort oder als Instru­ment für den per­sön­li­chen Aus­druck nutzt – alles ist denk­bar und das macht die­ses Pro­dukt so ein­zig­ar­tig. Es gibt noch Din­ge, die ver­än­dert oder ange­passt wer­den müss­ten, wie zum Bei­spiel eine inte­grier­te Steu­er­ein­heit mit Spei­cher­funk­ti­on oder eine Blue­tooth-Schnitt­stel­le zur draht­lo­sen Daten­über­tra­gung. Aber der Grund­stein ist gelegt und ich hof­fe, eines Tages unse­re Kund:innen mit „Luis Hug“ ver­sor­gen zu können.

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

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