KPE – ambu­lant vs. stationär

G. Lulay
Nach wie vor stellt die KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie) die Therapie der Wahl beim chronischen Lymphödem dar. Die KPE beinhaltet eine manuelle Lymphdrainage (MLD), einen lymphologischen Kompressionsverband (LKV), Hautpflege, Bewegung in Kompression und entsprechend den neuen Leitlinien auch eine Anleitung zur Selbsthilfe und Eigenbehandlung. Auf Dauer ermöglicht nur die konsequente Kompressionstherapie den Therapieerfolg. Entscheidend dafür ist eine konsequente und individuell abgestimmte Kombination der verschiedenen Maßnahmen – entsprechend dem jeweiligen Status des Lymphödems unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen und der Wünsche des Patienten – sowie eine dauerhafte Kompressionstherapie mit in der Regel flachgestrickten Kompressionsstrümpfen.

Ein­lei­tung

Im Heil- und Hilfs­mit­tel­re­port der BEK/GEK wur­de im Jahr 2008 ver­öf­fent­licht, dass die Qua­li­tät der ambu­lan­ten Behand­lung einer Arm­lym­ph­pa­ti­en­tin nach Mam­ma­kar­zi­nom nur in ca. 30 % der Fäl­le gege­ben war – ca. ein Drit­tel der Pati­en­tin­nen war über‑, ein wei­te­res Drit­tel unter­ver­sorgt 1. Zunächst erscheint es wich­tig, dass der behan­deln­de Arzt eine schlüs­si­ge und ein­deu­ti­ge Dia­gno­se stellt, was bedeu­tet, ein ein­deu­ti­ges Lymph­ödem nach­zu­wei­sen. Die Dia­gno­se soll­te die Gene­se des Lymph­ödems und eine Sta­di­en­ein­tei­lung enthalten

Dies soll­te am Ende einer aus­führ­li­chen Ana­mne­se und Befun­dung ste­hen, die sämt­li­che – auch inter­nis­ti­sche – Krank­heits­bil­der abklärt. Ins­be­son­de­re öde­ma­ti­sie­ren­de Krank­hei­ten wie Rechts­herz­in­suf­fi­zi­en­zen, Nie­ren­in­suf­fi­zi­en­zen, Eiweiß­man­gelö­de­me und ande­re Misch­bil­der sind hier durch­aus nicht sel­ten – recht häu­fig auch medi­ka­men­ten­in­du­zier­te bzw. ‑asso­zi­ier­te Öde­me. Zuneh­mend bedeut­sam wer­den die adi­po­si­tas­as­so­zi­ier­ten Öde­me in der Pra­xis, die eine kom­ple­xe Kas­ka­de­ver­schie­dens­ter Behand­lungs­stra­te­gien nach sich zie­hen soll­ten. Die KPE ist dabei nur ein Bau­stein in einem mul­ti­mo­da­len und inter­dis­zi­pli­när aus­zu­ge­stal­ten­den Konzept.

Durch­füh­rung einer KPE

Wird ein Lymph­ödem im Sta­di­um II oder III dia­gnos­ti­ziert, soll­te umge­hend eine KPE unter ambu­lan­tem Set­ting ein­ge­lei­tet wer­den, um ein Fort­schrei­ten die­ser chro­ni­schen Erkran­kung zu ver­mei­den. Die KPE wird in 2 Pha­sen durch­ge­führt, die im Fol­gen­den genau­er cha­rak­te­ri­siert werden.

1. Pha­se: Entstauungsphase

Die ers­te Pha­se bil­det die ca. 8 bis 14 Tage dau­ern­de Ent­stau­ungs­pha­se, die mit täg­li­cher Vor­stel­lung beim Lym­phhe­ra­peu­ten und ent­spre­chen­der MLD mit anschlie­ßen­der lym­pho­lo­gi­scher Kom­pres­si­ons­ban­da­gie­rung erfol­gen muss 23. Bei kor­rek­ter Durch­füh­rung zei­gen sich dann auch bereits nach kur­zer Zeit signi­fi­kan­te Volu­men­re­duk­tio­nen der behan­del­ten Extre­mi­tä­ten 4.

Die­se Pha­se ent­schei­det über den wei­te­ren Lang­zeit­the­ra­pie­er­folg, der nur dann ein­tre­ten wird, wenn die ers­te Pha­se der KPE kor­rekt durch­ge­führt wird. Hier­zu muss der Pati­ent über alle Ein­schrän­kun­gen auf­ge­klärt wer­den, die gera­de in der ers­ten Pha­se durch die auch über die Nacht zu tra­gen­den Kom­pres­si­ons­ver­bän­de ein­tre­ten. Auto­fah­ren oder Arbei­ten mit der Kom­pres­si­on ist meist nicht mög­lich; oft­mals ist es sinn­voll, die Pati­en­ten für die Dau­er die­ser Ent­stau­ungs­pha­se krankzuschreiben.

Durch den bis zu 60 mmHG 5 betra­gen­den Druck unter dem Ver­band sind zunächst auch Schmer­zen nicht immer ver­meid­bar, die aber bereits nach kur­zer Zeit des kon­se­quen­ten Tra­gens des Ver­ban­des rück­läu­fig sind. Dam­stra und Kol­le­gen konn­ten nach­wei­sen, dass nach 24-stün­di­gem Tra­gen des Ver­ban­des eine durch­schnitt­li­che Ödem­re­duk­ti­on von 290 ml in der Extre­mi­tät erfolg­te 6. Selbst bei loko­re­gio­nä­ren Rezi­di­ven von Tumo­ren konn­te die Wirk­sam­keit der KPE nach­ge­wie­sen wer­den 7. Durch die kon­se­quen­te Pha­se I der KPE fin­det somit die ent­schei­den­de Volu­men­re­duk­ti­on der gestau­ten Extre­mi­tät statt. R. und T. Yama­mo­to 8 konn­ten nach­wei­sen, dass nach 6‑tägiger Ent­stau­ungs­pha­se bei Arm­pa­ti­en­ten eine Volu­men­re­duk­ti­on von durch­schnitt­lich 58,9 % und nach durch­schnitt­lich 10 Tagen beim Bein­ödem von 73,4 % resultiert.

2. Pha­se: Erhaltungsphase

Tritt der Pati­ent nach der Ent­stau­ungs­pha­se über­gangs­los in die 2. Pha­se – die Erhal­tungs­pha­se – ein, gilt es vor allem, durch Selbst­ma­nage­ment auch die Com­pli­ance zu erhal­ten. Das Selbst­ma­nage­ment soll­te Haut­pfle­ge und Infek­ti­ons­pro­phy­la­xe sowie Eigen­drai­na­ge und Eigen­kom­pres­si­on bzw. ‑ban­da­gie­rung nach der Lymph­drai­na­ge beinhal­ten. Dabei erscheint es nach ver­schie­de­nen Unter­su­chun­gen evi­dent, dass bei guter Com­pli­ance der Pati­en­ten auf eine wei­te­re Lymph­drai­na­ge ver­zich­tet 9 10 11 bzw. die Fre­quenz der Lymph­drai­na­ge redu­ziert wer­den kann. Ler­ner konn­te 1998 zei­gen, dass durch Selbst­ma­nage­ment 84 % der Arm­lymph­ödem- und 87 % der Bein­lymph­ödem­pa­ti­en­ten den The­ra­pie­er­folg der Pha­se 1 hal­ten oder sogar noch ver­bes­sern konn­ten 12. Von ele­men tarer Wich­tig­keit ist dabei das kon­se­quen­te Tra­gen der ange­pass­ten Flachstrick-Kom­pres­si­ons­be­strump­fung, die indi­vi­du­ell auf die Fähig­kei­ten des Pati­en­ten abge­stimmt sein muss, um mög­li­chen Behin­de­run­gen und indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen im All­tag gerecht zu wer­den. Ein enges Team­work zwi­schen den The­ra­pie­part­nern ist dabei unerlässlich.

Rah­men­be­din­gun­gen der Lymphdrainage

Nach aktu­el­lem Stand liegt die Ver­ord­nung manu­el­ler Lymph­drai­na­ge auf Platz 3 der Häu­fig­keit der Ver­ord­nun­gen im Bereich der GKV – nach kran­ken­gym­nas­ti­scher Ein­zel­be­hand­lung und Ergo­the­ra­pie. Kon­sul­tiert man die Sta­tis­tik des Münch­ner Abrech­nungs- und IT-Dienst­leis­tungs­zen­trums für Heil­be­ru­fe (AZH) aus dem Jahr 2007, so muss gefol­gert wer­den, dass bei einer Behand­lung von 45 oder 60 Minu­ten bei ca. 4 Mio. MLD-Behand­lun­gen nur bei etwa jeder ach­ten Behand­lung auch eine nach­fol­gen­de Kom­pres­si­ons­ban­da­gie­rung ange­legt wur­de 13.

Lymph­drai­na­ge wird in den Phy­sio-Pra­xen all­zu häu­fig als nicht lukra­tiv ange­se­hen und somit nur halb­her­zig durch­ge­führt. Die Anla­ge eines Kom­pres­si­ons­ver­ban­des erbringt in der Pra­xis im Durch­schnitt ca. 8 Euro pro Extre­mi­tät bei einer Dau­er von 10 bis 20 Minu­ten. Das Pols­ter­ma­te­ri­al muss ent­spre­chend den Heil­mit­tel­richt­li­ni­en vom The­ra­peu­ten gestellt wer­den. Dazu gesellt sich nicht sel­ten die man­geln­de Qua­li­tät der aus­ge­stell­ten Ver­ord­nun­gen, die neu­er­dings nach fes­ten Kri­te­ri­en aus­ge­füllt und ange­for­dert wer­den müs­sen. Zusätz­lich erschwert wird die Situa­ti­on dadurch, dass immer noch rela­tiv häu­fig die Dia­gno­sen „Lymph­ödem“ bzw. „Lipö­dem“ der ärzt­li­chen Zuwei­ser im Ein­zel­fall kri­tisch hin­ter­fragt wer­den müs­sen. Alle die­se auch dia­gnos­ti­schen Unschär­fen kön­nen den The­ra­pie­er­folg mas­siv in Fra­ge stel­len und las­sen nicht zuletzt die Kran­ken­kas­sen häu­fig an der Not­wen­dig­keit der MLD zweifeln.

KPE-Behand­lung ambu­lant vs. stationär

Prin­zi­pi­ell muss die KPE zunächst ambu­lant durch­ge­führt wer­den. Dabei spielt die Gene­se des Lymph­ödems weni­ger eine Rol­le als sein Schwe­re­grad. In Tabel­le 1 sind die beson­de­ren Indi­ka­tio­nen zur sta­tio­nä­ren The­ra­pie auf­ge­führt. Ent­schei­dend sind der früh­zei­ti­ge Beginn und eine kon­se­quen­te KPE, um akut sowohl die wei­te­re Dekom­pen­sa­ti­on des Ödems als auch die spä­te­ren chro­ni­schen Sta­di­en mit fort­schrei­ten­der Fibro­sie­rung des Gewe­bes zu ver­hin­dern. Fol­ge­schä­den sind hier dann teil­wei­se nicht mehr zu vermeiden.

In der täg­li­chen Pra­xis scheint das Ery­si­pel an vor­ders­ter Stel­le zu ste­hen, das Pati­en­ten mit einem chro­ni­schen Lymph­ödem häu­fig rezi­di­vie­rend erlei­den, wor­auf­hin sie auf alle Fäl­le der sta­tio­nä­ren Ver­sor­gung zuge­führt wer­den müs­sen. In der Pati­en­ten­kli­en­tel des Ver­fas­sers in einer sta­tio­nä­ren Lymph­kli­nik lit­ten 40 % unter einem teil­wei­se mehr­fach rezi­di­vier­ten Ery­si­pel mit schwe­ren Fie­ber­schü­ben und der Not­wen­dig­keit einer intra­ve­nö­sen hoch­do­sier­ten Anti­bio­ti­ka­the­ra­pie 14. Wei­ter­hin impo­nie­ren vie­le chro­ni­sche Lymph­ödem­pa­ti­en­ten mit fort­schrei­ten­den lym­pho­sta­ti­schen Der­ma­to­sen, gekenn­zeich­net von Fibro­sen, Hyper­ke­ra­to­sen und Papillomatosen.

Ver­sa­gen der ambu­lan­ten Therapie
schwe­re Begleiterkrankungen KHK, Herz­in­suf­fi­zi­enz, COPD, Niereninsuffizienz
aku­tes Ery­si­pel (nach Abklin­gen der Akutsymptomatik)
schwe­re ortho­pä­di­sche Probleme
mas­si­ve Adiposita
schwe­re Dermatosen
Unmög­lich­keit der Durch­füh­rung einer ambu­lan­ten KPE aku­te Dekom­pen­sa­ti­on eines Lymphödems

Tab. 1 Kri­te­ri­en für sta­tio­nä­re Patienten.

Anfor­de­run­gen an die Lymphtherapeuten

Um den Qua­li­täts­an­for­de­run­gen zu ent­spre­chen, bedarf es einer inten­si­ven Aus- und Wei­ter­bil­dung der Lymph­the­ra­peu­ten. Außer hand­werk­li­chem Geschick und exak­ten ana­to­mi­schen Kennt­nis­sen ist für den Pati­en­ten die men­ta­le und emo­tio­na­le Zuwen­dung des The­ra­peu­ten extrem wich­tig, da die­ser sich wäh­rend einer län­ge­ren Zeit und wie­der­holt in engs­tem Kon­takt zum Pati­en­ten befin­det. Dabei spielt die Pati­en­ten­an­lei­tung und ‑füh­rung eine ent­schei­den­de Rol­le, was nicht sel­ten den The­ra­pie­er­folg wesent­lich beein­flusst. Grund­la­ge muss jedoch stets eine regel­rech­te MLD sein, auf die eine pro­fes­sio­nel­le lym­pho­lo­gi­sche Kom­pres­si­ons­ban­da­gie­rung fol­gen muss. Und hier schei­den sich häu­fig die Geis­ter: Ist die Kom­pres­si­on zu locker, fällt sie her­un­ter; ist sie zu fest, fühlt sich der Pati­ent nicht mobil. Die Kunst des Phy­sio­the­ra­peu­ten besteht dar­in, die­ses Ver­hält­nis so zu gestal­ten, dass eine ambu­lan­te The­ra­pie vom Pati­en­ten tole­riert wird.

Von eben­falls emi­nen­ter Wich­tig­keit sind die ambu­lan­ten The­ra­pie­in­ter­val­le. Die­se müs­sen so kurz­fris­tig wie mög­lich hin­ter­ein­an­der lie­gen, um zeit­nah eine signi­fi­kan­te Ent­stau­ung zu erzie­len, was neben dem deut­li­chen Abbau des Ödems zusätz­lich noch eine ganz wich­ti­ge psy­cho­lo­gi­sche Wir­kung erzielt und den Pati­en­ten in sei­ner Moti­va­ti­on wei­ter­hin stärkt. Die Ent­stau­ungs­pha­se (sie­he oben) soll­te auch ambu­lant in der Regel nicht mehr als drei Wochen andau­ern, um dann die end­gül­ti­ge Strumpf­ver­sor­gung zuer­mög­li­chen. Gera­de hier jedoch bestehen häu­fig die Pro­ble­me in der Phy­sio-Pra­xis: Da, wie oben dar­ge­legt, Lymph­drai­na­ge und Ban­da­gie­rung nicht lukra­tiv sind, bleibt der the­ra­peu­ti­sche Erfolg häu­fig auf der Stre­cke und gene­riert unter Umstän­den sogar einen The­ra­pie­ver­sa­ger. So kommt es nicht sel­ten vor, dass Pati­en­ten über Wochen oder sogar Mona­te MLD erhal­ten, ohne dass sich ein merk­li­cher Erfolg ein­stellt. Das wie­der­um hat zur Fol­ge, dass die MLD sich auf Dau­er als sinn­los erweist und irgend­wann ein­ge­stellt oder auf nied­ri­gem Niveau fort­ge­führt wird.

Ein regel­mä­ßi­ger Aus­tausch der Behand­lungs­part­ner – Arzt, Phy­sio­the­ra­peut und Sani­täts­haus – soll­te ent­schei­dend zur Ver­bes­se­rung des Out­co­mes bei­tra­gen kön­nen. Das bedeu­tet neben einer inten­si­ven Schu­lung der Behand­lungs­part­ner auch eine stän­di­ge Ver­net­zung, die z. B. durch ein onlin­ege­stütz­tes Sys­tem erfol­gen könn­te. Auf die­se Wei­se könn­ten aktu­el­le Daten erho­ben und kon­trol­liert werden.

Sta­tio­nä­re Behandlung

Auf die oben geschil­der­te Wei­se kön­nen sicher­lich ca. 90 % der Pati­en­ten ambu­lant behan­delt wer­den. Aber es gibt eine klei­ne Anzahl von Pati­en­ten, die zwin­gend sta­tio­när behan­delt wer­den soll­te. Dazu wur­de zusam­men mit dem MDK West­fa­len Lip­pe ein Kri­te­ri­en­ka­ta­log (Tab. 1) ent­wi­ckelt, der dem Arzt eine ein­deu­ti­ge Hil­fe­stel­lung gibt, um letzt­lich eine aku­te Ein­wei­sung in eine sta­tio­nä­re Ein­rich­tung auszustellen.

Wich­tig an die­ser Stel­le erscheint der Hin­weis auf die Dif­fe­ren­zi­al­dia­gno­se: Nicht jede Schwel­lung einer oder meh­re­rer Extre­mi­tä­ten ist ein Lymph­ödem. Eine sau­be­re dia­gnos­ti­sche Abklä­rung ist hier unab­ding­bar, um kei­ne Fehl­be­hand­lung oder Stig­ma­ti­sie­rung des Pati­en­ten her­bei­zu­füh­ren. Ein so dia­gnos­ti­zier­tes Lymph­ödem soll­te nicht mit einem Diure­ti­kum behan­delt wer­den, um das an sich eiweiß­rei­che Ödem nicht aus­zu­trock­nen und somit einer wei­te­ren Fibro­sie­rung Tür und Tor zu öff­nen. Nur in der Kli­nik kann unter stän­di­ger ärzt­li­cher Über­wa­chung bei einem Misch­ödem eine Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pie aus MLD und Diure­ti­kum erfol­gen, was aller­dings vor­sich­tig zu gesche­hen hat, um den Pati­en­ten nicht in ein Lun­gen­ödem hin­ein­zu­the­ra­pie­ren. Lei­der ist es jedoch zur Zeit noch geüb­te Pra­xis, dass vie­le Pati­en­ten erst dann in die sta­tio­nä­re Behand­lung ein­tre­ten, wenn schon mas­sivs­te Begleit­erkran­kun­gen das Ödem in ein kom­pli­zier­tes Sta­di­um über­führt haben (Abb. 1). Nicht sel­ten ist dann das Ödem dekom­pen­siert, das heißt, dass schwers­te Haut­er­kran­kun­gen, ortho­pä­di­sche Fehl­stel­lun­gen der Extre­mi­tät, mas­si­ve Ent­zün­dun­gen, Ulcera oder ein mons­trö­ses Ödem bestehen. Hier kommt dann häu­fig auch die sta­tio­nä­re Behand­lung zu spät; die Pati­en­ten befin­den sich in einem inkur­a­blen Zustand.

Kos­ten­si­tua­ti­on bei der Lymphbehandlung

Bereits im Bei­trag zur Ver­sor­gungs­si­tua­ti­on der Lym­ph­pa­ti­en­ten im Jahr 2012 wur­de durch den Ver­fas­ser die­ses Arti­kels auf die teil­wei­se noch deso­la­ten Zustän­de in unse­rem Lan­de hin­ge­wie­sen. Der Lym­ph­pa­ti­ent befin­det sich auch heu­te noch in einem Wirr­warr von Behand­lungs­va­ri­an­ten, wor­aus lei­der noch viel zu häu­fig eine Fehl­be­hand­lung des Pati­en­ten über Jah­re resul­tiert 15. An die­ser Stel­le sei pro­vo­ka­tiv die Kos­ten­si­tua­ti­on dar­ge­stellt, die die gan­ze Absur­di­tät des Sze­na­ri­os „Lymph­be­hand­lung“ wider­spie­gelt: Legt man die Zah­len des AZH Mün­chen aus dem Jah­re 2007 zugrun­de, wur­den für „MLD 45 Minu­ten“ ins­ge­samt 68 Mio. Euro., für „MLD 60 Minu­ten“ 48 Mio. Euro aus­ge­ge­ben. Hin­zu kom­men ledig­lich 4,2 Mio. Euro für die not­wen­di­ge Ban­da­gie­rung. Rech­net man nun anhand der Sta­tis­tik den Anteil der Pati­en­ten hoch, die kor­rekt behan­delt wur­den, ergibt dies ledig­lich eine Sum­me von 15 Mio. Euro – über 105 Mio. Euro wur­den somit qua­si fehl­in­ves­tiert. Wür­de man nur einen Bruch­teil die­ser Kos­ten für die sta­tio­nä­re Behand­lung aus­ge­ben, die zum jet­zi­gen Zeit­punkt dra­ma­tisch unter­fi­nan­ziert ist, könn­te man bei einem aus­rei­chen­den Deckungs­bei­trag sta­tio­när ca. 26. 000 Pati­en­ten pro Jahr erfolg­reich therapieren.

Seit acht Jah­ren exis­tiert nun­mehr eine sol­che sta­tio­nä­re Ein­rich­tung im nord­rhein-west­fä­li­schen Och­trup, die im Rah­men des Gefäß­zen­trums Nord-West von Rhei­ne aus sol­che Pati­en­ten ermit­telt und sich im Rah­men einer 12-tägi­gen inten­si­ven sta­tio­nä­ren Ent­stau­ung zwei­mal täg­lich für eine Stun­de­die­ser schwe­ren Fäl­le annimmt. Hier kön­nen dann im inter­dis­zi­pli­nä­ren Kon­sens auch die „End-Stage“- und mul­ti­mor­bi­den Pati­en­ten suf­fi­zi­ent betreut wer­den, die ansons­ten nur durch ein müh­sa­mes Reha-Ver­fah­ren zu einem unbe­stimm­ten Zeit­punkt eine sta­tio­nä­re Betreu­ung bekom­men, akut aber nicht ver­sorgt wer­den können.

Aller­dings kann die­se Kli­nik bis­lang noch nicht wirt­schaft­lich arbei­ten, da die­ses auf­wen­di­ge Ent­stau­ungs­kon­zept durch die bis­he­ri­gen DRG (Dia­gno­sis Rela­ted Groups) noch nicht abge­bil­det wird, was einer drin­gen­den Anpas­sung bedarf und dau­er­haft und auch andern­orts in der Repu­blik ange­bo­ten wer­den müsste.

Fazit

Abschlie­ßend ist ange­sichts der auf­ge­zeig­ten Umstän­de zu for­dern, die ambu­lan­te Behand­lung nach stren­gen Qua­li­täts­richt­li­ni­en durch­zu­füh­ren, die auf eine erfolg­rei­che MLD eine kon­se­quen­te Kom­pres­si­on fol­gen las­sen. Für die schwie­rigs­ten Fäl­le und ambu­lan­te The­ra­pie­ver­sa­ger soll­ten sta­tio­nä­re Alter­na­ti­ven auf­ge­baut wer­den, die auch für die Kli­ni­ken – unter ent­spre­chen­den Qua­li­täts­stan­dards – lukra­tiv sind. An die­ser Stel­le könn­ten die Bei­trä­ge der Kran­ken­ver­si­cher­ten sinn­voll ein­ge­setzt wer­den. Damit könn­ten zudem Fehl­in­ves­ti­tio­nen öffent­li­cher Gel­der im Sin­ne der Kran­ken­kas­sen ver­hin­dert wer­den 16.

Grund­sätz­lich bedarf es einer dau­er­haf­ten und inten­si­ven Zusam­men­ar­beit zwi­schen Arzt, Phy­sio­the­ra­peut und Sani­täts­haus, die bei der Behan­dung die­ser chro­ni­schen Pati­en­ten Part­ner auf Augen­hö­he sein müs­sen. Ein online ver­netz­tes Sys­tem könn­te­hier einen wesent­li­chen Bei­trag zur Qua­li­täts­si­che­rung und ‑über­prü­fung leis­ten. Eine sol­che Qua­li­täts­of­fen­si­ve auch im ärzt­li­chen Bereich müss­te schließ­lich auch eine deut­li­che Anhe­bung der Hono­ra­re aller Part­ner bewir­ken, da dann die The­ra­pie ins­be­son­de­re­für die schwie­rig zu behan­deln­den Pati­en­ten auch in die­ser Hin­sicht leis­tungs­ge­rech­ter abge­bil­det wäre.

Der neu erstell­te ICD-Schlüs­sel für das Lymph­ödem, das seit zwei Jah­ren von der Ärz­te­kam­mer West­fa­len-Lip­pe ange­bo­te­ne 54-stün­di­ge ärzt­li­che Cur­ri­cu­lum, die zuneh­men­de Anzahl von Fort- und Wei­ter­bil­dun­gen für The­ra­peu­ten und Sani­täts­fach­han­del sowie wei­te­re Maß­nah­men sind Mei­len­stei­ne­ei­ner opti­mis­ti­schen Ent­wick­lung die­ses Fach­ge­bie­tes, die in die­ser Form fort­ge­führt wer­den sollten.

Durch die neu­en Heil­mit­tel­richt­li­ni­en, die am 16. März 2017 erschie­nen sind, wur­de ein wei­te­rer Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung getan, indem die chro­nisch lym­pho­lo­gisch Erkrank­ten eine Lang­frist­ver­ord­nung außer­halb des Regel­fal­les in Anspruch neh­men kön­nen. Das bedeu­tet für die Erkrank­ten erst­ma­lig eine kon­se­quen­te Behand­lungs­mög­lich­keit, um den nicht sel­ten chro­nisch schwe­ren Pro­gress eines Lymph­ödems mit den teil­wei­se sehr schwer­wie­gen­den Fol­ge­er­kran­kun­gen zu ver­hin­dern 17.

Der Autor:
Prof. Dr. Gerd R. Lulay
Lei­ter des Gefäß- und Lymphzentrums
Nord-West am Mathi­as-Spi­tal Rheine
Fran­ken­burg­str. 31,
48431 Rheine
g.lulay@mathias-spital.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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