Im Folgenden werden zentrale Aspekte der Anfrage aufgezeigt und die jeweilige Antwort der Bundesregierung angeführt.
Von „Aufzahlungen“ bis „Verträge“
Die Grünen verlangen Auskunft zu den Themen Hilfsmittelverzeichnis, Aufzahlungen, Ausschreibungen, Verträge, Beratung und wohnortnahe Versorgung, Leistungsbewilligung, besonders vulnerable Leistungsempfänger, Präqualifizierungsstellen sowie Nachbesserungen bei der Hilfsmittelversorgung. Hinter diesen Fragen steht die Sorge, ob die Novellierung des HHVG im April 2017 die Versorgung mit Hilfsmitteln tatsächlich verbessert hat, und wenn nicht, welche Pläne die Bundesregierung hat, hier nachzubessern. So möchte die Fraktion wissen, wann das Bundesministerium für Gesundheit die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) erstellte Verfahrensordnung zur Überarbeitung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 Absatz 7 SGB V genehmigt.
In der Antwort der Bunderegierung heißt es dazu, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) prüfe derzeit die Verfahrensordnung und werde seine Prüfung „zeitnah“ abschließen.
BVA mit wenig Handhabe?
Zudem beruft sich die Fraktion in ihrer Kleinen Anfrage auf den Sonderbericht des Bundesversicherungsamtes (BVA) mit dem Titel „Zum Wettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ vom April dieses Jahres. Zum Thema Ausschreibungen heißt es dort: „Das Bundesversicherungsamt prüft die Ausschreibungen detailliert, hat aber nur wenig Instrumente an der Hand, zeitnah und wirkungsvoll das rechtswidrige Handeln von Krankenkassen zu unterbinden.“
Aus Sicht der Bundesregierung zeigen die Prüfungen aktueller Hilfsmittelausschreibungen, die das Bundesversicherungsamt (BVA) vornimmt, sowie die Verpflichtungsbescheide, die die Behörde im Zusammenhang mit Verträgen zur Hilfsmittelversorgung gegenüber verschiedenen Krankenkassen erlassen hat, dass das BVA seinen Aufgaben als Aufsichtsbehörde wirksam nachkomme. „Das BVA hat damit, wie auch die Aufsichtsbehörden in den Ländern, eine wichtige Aufgabe bei der Gewährleistung der Qualität der Hilfsmittelversorgung“, versichert die Bundesregierung. „Ob über die bestehenden Instrumentarien hinaus weitere aufsichtsrechtliche Maßnahmen erforderlich sind, wird die Bundesregierung prüfen.“
Preis contra Qualität?
Wie kann sichergestellt werden, dass die Krankenkassen in ihren Ausschreibungen die vom Gesetz vorgesehene Gewichtung von Qualität und Preis erfüllen? Auch auf diese Frage erwartete die Fraktion der Grünen eine Antwort der Bundesregierung.
Sie lautet: „Der Gesetzgeber hat mit dem HHVG in § 127 Absatz lb SGB V geregelt, dass Krankenkassen bei Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich neben dem Preis auch qualitative Anforderungen an die Produkte und die mit ihnen verbundenen Dienstleistungen beachten müssen, die über die Mindestanforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses
hinausgehen.“ Die Krankenkassen könnten selbst entscheiden, ob sie die zusätzlichen Qualitätsanforderungen im Rahmen der Leistungsbeschreibung oder innerhalb der Zuschlagskriterien angemessen berücksichtigen. Geschehe dies in den Zuschlagskriterien, dürfe die Gewichtung derjenigen Zuschlagskriterien, die nicht den Preis oder die Kosten betreffen, 50 Prozent nicht unterschreiten. Sofern qualitative
Anforderungen, die über die Mindestanforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses hinausgehen, in der Leistungsbeschreibung angemessen beachtet würden, bestünden keine Vorgaben für die Gewichtung der Zuschlagskriterien. „Im letztgenannten Fall bewegen sich die Krankenkassen innerhalb der gesetzlichen Vorgaben, weswegen eine Umgehung von § 127 Absatz lb SGB V dann nicht vorliegt“, betont die Bundesregierung. In beiden Konstellationen würden qualitative Kriterien über die Mindestanforderungen des Hilfsmittel-
verzeichnisses hinaus berücksichtigt. Je nach Fallgestaltung könne die Beschreibung von Qualitätsanforderungen in der Leistungsbeschreibung oder im Rahmen des Zuschlags der geeignete Weg sein, um eine hohe Qualität der Versorgung sicherzustellen.
EU-Recht vor SGB?
Darüber hinaus möchte die Fraktion wissen, wie die Regierung das Verhältnis zwischen europäischem Vergaberecht und § 127 SGB V einschätzt. Welches Recht hat Vorrang?
„Generell haben EU-Rechtsakte mit verbindlicher Wirkung Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten, sodass mitgliedstaatliches Recht nicht im Widerspruch zu EU-Recht stehen darf“, stellt die Bundesregierung klar. Dies gelte auch für das Europäische Vergaberecht, das im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) umgesetzt werde. Auch aus dem EU-Vergaberecht ergebe sich, dass ein öffentlicher Auftraggeber seinen Bedarf entweder vergaberechtlich (also durch Ausschreibung) oder so decken muss, dass das Vergaberecht gar nicht zur Anwendung kommt. Nach dem Wortlaut des § 127 Absatz 1 SGB V könnten die Krankenkassen Hilfsmittelversorgungen ausschreiben, sofern dies zweckmäßig sei. Ob Hilfsmittel wettbewerblich oder auf anderem Weg als der Vergabe öffentlicher Aufträge beschafft werden, obliege der Entscheidung der Krankenkassen. „§ 127 SGB verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und enthält eindeutige Regelungen über die Beschaffungsmöglichkeiten von Hilfsmitteln“, erklärt die Bundesregierung.
Leistungserbringer und Präqualifizierungsstellen
Die Kleine Anfrage nimmt zudem Bezug auf die Arbeit der Leistungserbringer. Hier interessiert die Fraktion zum Beispiel, welche Kenntnisse die Regierung von etwaigen wirtschaftlichen, personellen und organisatorischen Verflechtungen zwischen Leistungserbringern und Präqualifizierungsstellen hat.
Laut Bunderegierung sind derzeit 6 der 23 Präqualifizierungsstellen mit Leistungserbringerverbänden wie denen der Augenoptiker, Hörakustiker und Orthopädie-Techniker gesellschaftsrechtlich verbunden. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung, die der handwerklichen Selbstverwaltung auch im Bereich des Gesundheitshandwerks zukomme, hält die Bundesregierung es für sinnvoll, dass das in diesen Verbänden vorhandene berufliche Selbstverständnis und Wissen auch der Strukturqualität der Hilfsmittelversorgung zugutekommt. Allerdings müsse die Unparteilichkeit der Präqualifizierungsstellen gewährleistet sein.
Mit Datum vom 27. Oktober 2017 hat die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) die Regel 71 SD 6 060 „Anforderungen an Präqualifizierungsstellen, die Leistungserbringer gemäß § 126 Abs. la SGB V zertifizieren“, auf ihrer Website veröffentlicht. „Diese sieht u. a. vor, dass Leistungserbringer und Krankenkassen sowie deren jeweilige Organisationen, die Vertragspartner nach § 127 SGB sind oder sein können, nicht selbst Präqualifizierungsstellen sein können. Präqualifizierungsstellen müssen rechtlich von Leistungserbringerverbänden und Krankenkassen getrennt sein“, betont die Bundesregierung.
Auf die Frage der Grünen-Fraktion, ob die Regierung eine Nachbesserung des HHVG plane, erklärt diese abschließend in ihrem Antwortschreiben: „Die durch das HHVG geschaffenen Regelungen haben die Qualität der Hilfsmittelversorgung gesichert und entwickelt. Die Bundesregierung wird den Umsetzungsprozess mit großer Aufmerksamkeit begleiten.“
In weiten Teilen ihrer Antwort bezieht sich die Bundesregierung damit auf Fakten, die bereits grundsätzlich bekannt gewesen sind. Dass, so der gewonnene Eindruck, in naher Zukunft keine konkreten Nachbesserungen am HHVG geplant sind, wird auf Seiten von Patientenvertreter- und Leistungserbringerverbänden sicherlich mit Enttäuschung registriert werden.
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