Vor­be­rei­tung für E‑Rezept läuft

In Sieben-Meilen-Stiefeln auf dem Weg zum E-Rezept? Ganz so schnell geht es nicht. Seit mehr als 20 Jahren wird in Deutschland über das E-Rezept debattiert, schon lange an der nötigen Infrastruktur herumgewerkelt. Nun ist klar: Der Terminplan steht. Was auf die Betriebe zukommt, erklärt Kim Nikolaj Japing von der Arbeitsgemeinschaft der Gesundheitshandwerke des ZDH.

Das E‑Rezept wird Schritt für Schritt im Gesund­heits­we­sen „aus­ge­rollt“ – ab Janu­ar 2022 zunächst ver­pflich­tend für ver­schrei­bungs­pflich­ti­ge Arz­nei­mit­tel. Spä­tes­tens bis 01.01.2026 sol­len sich die Leis­tungs­er­brin­ger im Hilfs­mit­tel­be­reich frei­wil­lig an die zugrun­de lie­gen­de Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur (TI) anbin­den. Ab Mit­te 2026 wird die elek­tro­ni­sche Ver­ord­nung in den ortho­pä­die­tech­ni­schen Werk­stät­ten und im Sani­täts­fach­han­del obli­ga­to­risch. Bis es soweit ist, muss noch eini­ges geklärt wer­den – zum Bei­spiel die Höhe der Ver­gü­tung für das tech­ni­sche Equip­ment, das die Betrie­be benö­ti­gen. Ein­fach abwar­ten ist indes­sen die fal­sche Stra­te­gie. Denn das E‑Rezept ist Teil einer weit umfas­sen­de­ren Digi­ta­li­sie­rung. Dazu gehört zum Bei­spiel eben­falls die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te (ePA), die bereits ab 1. Juli 2021 für Ärz­te ver­pflich­tend ist. Die mit E‑Rezept und ePA ver­bun­de­nen neu­en Pro­zes­se soll­te das Gesund­heits­hand­werk mitgestalten.

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OT: Herr Japing, das E‑Rezept kommt – neh­men die Betrie­be des Gesund­heits­hand­werks das ernst genug?

Kim Niko­laj Japing: Ja, natür­lich neh­men die das ernst. Zur­zeit pas­siert das Meis­te auf der Ebe­ne der Ver­bän­de, in denen sich die Betrie­be enga­gie­ren. Dort fin­den die vor­be­rei­ten­den kon­zep­tio­nel­len Arbei­ten statt, wird die kon­kre­te Aus­ge­stal­tung des E‑Rezepts nach der Anbin­dung der Werk­stät­ten und Sani­täts­häu­ser an die TI diskutiert.

Weit­ge­hen­de Digitalisierung

OT: Was kommt mit dem elek­tro­ni­schen Rezept auf die Hilfs­mit­tel­ver­sor­ger zu?

Japing: Es han­delt sich ins­ge­samt um eine sehr weit­ge­hen­de Digi­ta­li­sie­rung in den Leis­tungs­be­rei­chen der Gesund­heits­hand­wer­ke wie auch auf dem Hilfs­mit­tel­sek­tor. So muss die gesam­te Doku­men­ta­ti­on dann voll­di­gi­ta­li­siert zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Das bedeu­tet nicht, dass von Anfang an kom­plett und aus­schließ­lich auf den digi­ta­len Weg gesetzt wird – sehr wahr­schein­lich wer­den in einer Über­gangs­pha­se Papier und die digi­ta­le Vari­an­te neben­ein­an­der exis­tie­ren. Denn es ist erst ein­mal die frei­wil­li­ge Ent­schei­dung der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten, ob sie ihr Rezept digi­tal zum Bei­spiel auf dem Smart­phone haben möch­ten oder ob sie den Papier­weg bevor­zu­gen. Aber Mate­ri­al­hin­wei­se und Anwen­dungs­richt­li­ni­en müs­sen künf­tig digi­tal vor­lie­gen, die Abrech­nungs­ver­fah­ren wer­den eben­so digi­ta­li­siert und Kos­ten­vor­anschlä­ge nur noch digi­tal­mög­lich sein.

OT: Wel­che recht­li­chen Vor­ha­ben gibt es der­zeit im Zusam­men­hang mit dem E‑Rezept?

Japing: Drei neue Rege­lun­gen sind im Kom­men: Ers­tens läuft der­zeit das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren zum Digi­ta­le-Ver­sor­gung-und-Pfle­ge-Moder­ni­sie­rungs-Gesetz (DVPMG). Dar­in ist ange­dacht, dass sich die Hilfs­mit­tel­leis­tungs­er­brin­ger bis 1. Janu­ar 2026 an die TI anschlie­ßen sol­len. Das bedeu­tet erst ein­mal nur, dass sie sich die ent­spre­chen­de Hard­ware beschaf­fen müs­sen wie Kon­nek­to­ren (tech­ni­sches Herz­stück, über das zum Bei­spiel die IT-Sys­te­me der Ärz­te, Kran­ken­häu­ser und Leis­tungs­er­brin­ger mit der TI und den E‑He­alth-Kar­ten­ter­mi­nals ver­bun­den wer­den), Lese­ge­rä­te sowie per­so­nen- und betriebs­ge­bun­de­ne Kar­ten zur Zugangs­be­rech­ti­gung. Zwei­tens: Ab 1. Juli 2026 ist der Anschluss nicht mehr optio­nal, ab die­sem Ter­min ist der Ein­satz des E‑Rezepts im Hilfs­mit­tel­be­reich Pflicht. Bis dahin müs­sen sich die Betrie­be also fit machen. Und die drit­te Rege­lung ist die Kos­ten­trä­ger­schaft. Hier­bei geht es um die Erstat­tungs­pau­scha­len für die not­wen­di­gen Gerät­schaf­ten. Nach jet­zi­gem Stand sol­len sie sich an denen der Ärz­te ori­en­tie­ren. Das ist erst ein­mal zu begrü­ßen, weil die Gesund­heits­hand­wer­ke die Hard­ware damit nicht aus eige­nen betrieb­li­chen Mit­teln finan­zie­ren müs­sen. Pro­ble­ma­tisch könn­te wer­den, dass sie in Vor­leis­tung gehen und die Aus­ga­ben erst im Nach­hin­ein durch die gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen erstat­tet bekom­men. So erhal­ten die Ärz­te ihr Geld im Rah­men der quar­tals­wei­sen Abrech­nung. Even­tu­ell erfolgt dies bei den Gesund­heits­hand­wer­ken sogar nur halb­jähr­lich. Etwas war­ten muss man auf die Erstat­tung also schon.

OT: Um wel­che Beträ­ge han­delt es sich?

Japing: Das wird sich bei etwa 2.500 Euro ein­pen­deln, even­tu­ell etwas mehr für das gesam­te Set der Hardware.

OT: Aktu­ell wird dis­ku­tiert, dass man auf Kon­nek­to­ren viel­leicht ver­zich­ten kann …

Japing: Die Gema­tik GmbH, die für Auf­bau, Betrieb und Wei­ter­ent­wick­lung der TI ver­ant­wort­lich ist, hat in einem White­pa­per zur TI 2.0 von neu­en Lösun­gen ohne Kon­nek­tor gespro­chen. Doch die­se Plä­ne zum Rede­sign der TI sind lang­fris­tig. Die Über­gangs­fris­ten und Pflich­ten kom­men aber jetzt auf uns zu. Die Betrie­be müs­sen sich mit­tel­fris­tig anschlie­ßen – mit den zur­zeit ver­füg­ba­ren Tech­no­lo­gien. Viel­leicht muss man dann per­spek­ti­visch noch Ver­än­de­run­gen an der Tech­nik­aus­stat­tung vor­neh­men. Aber erst ein­mal müs­sen wir mit dem arbei­ten, was wir haben.

OT: Wesent­li­cher Bau­stein des gesam­ten Kon­zepts sind die Berech­ti­gungs­kar­ten, damit die Leis­tungs­er­brin­ger Zugang erhal­ten. Wer wird sie ausgeben?

Japing: Ein Arbeits­kreis im ZDH aus Gesund­heits­hand­wer­ken und Hand­werks­kam­mern kon­zep­tio­niert das Aus­ga­be­ver­fah­ren. Dabei wird der Auf­bau des Aus­ga­be­sys­tems erdacht, mit dem sich die Gesund­heits­hand­wer­ke in Zukunft die Kar­ten beschaf­fen kön­nen. Der Fokus im ZDH liegt auf hand­werk­lich orga­ni­sier­ten Berufs­grup­pen und deren Kör­per­schaf­ten. Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass jeder Betrieb min­des­tens eine betriebs­ge­bun­de­ne Kar­te (Insti­tu­ti­ons­kar­te SMC‑B) braucht und min­des­tens einen per­so­nen­ge­bun­de­nen Aus­weis (elek­tro­ni­scher Berufs­aus­weis, eBA) für den Betriebs­lei­ter. Es ist bereits so, dass die Stamm­da­ten für die Kar­ten in den Hand­werks­kam­mern vor­lie­gen. Zudem ist denk­bar, dass zumin­dest das Hand­werk im Sani­täts­haus die per­so­nen­ge­bun­de­nen Kar­ten über die Hand­werks­kam­mern erhält.

OT: Bei bis­he­ri­gen Rezep­ten legen die Ärz­te ledig­lich die Anwen­dungs­art des Hilfs­mit­tels fest – die ers­ten sie­ben Stel­len (Sie­ben­stel­ler) des zehn­stel­li­gen Codes (Zehn­stel­ler), mit dem jedes Hilfs­mit­tel im Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis gelis­tet ist. Die Aus­wahl des kon­kre­ten Pro­dukts obliegt den Leis­tungs­er­brin­gern, sie ergän­zen die letz­ten drei Stel­len. Bleibt das auch beim E‑Rezept so?

Japing: Das Ver­voll­stän­di­gen des Zehn­stel­lers auf dem E‑Rezept im Waren­wirt­schafts­sys­tem des Betriebs ist ein Klas­si­ker, des­sen Umset­zung wich­tig wird. Wir ach­ten dar­auf, dass die Digi­ta­li­sie­rungs­pro­zes­se kei­ne Ein­schrän­kun­gen der beruf­li­chen und berufs­recht­li­chen Kom­pe­ten­zen mit sich brin­gen – sodass in der digi­ta­len Welt alle Kom­pe­ten­zen erhal­ten bleiben.

OT: Neben dem E‑Rezept soll die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te (ePA) einer der Game­ch­an­ger im digi­ta­li­sier­ten Gesund­heits­we­sen wer­den. Wel­che Rege­lun­gen gibt es zum Bei­spiel zum Befül­len der Akte durch das Gesundheitshandwerk?

Japing: Bis­her gibt es für das Befül­len der ePA zum Bei­spiel durch Ortho­pä­die­tech­ni­ker oder ande­re Gesund­heits­hand­wer­ke kei­ne Rege­lung – weder zum Befül­len an sich noch zur Abre­chen­bar­keit die­ser Leis­tung. Wir set­zen uns dafür ein, dass die gesund­heits­hand­werk­li­chen Leis­tungs­er­brin­ger dafür hono­riert wer­den. Ein­trä­ge in die ePA zäh­len jedoch nicht zu den regel­haf­ten Vor­gän­gen, son­dern erfol­gen nur auf Wunsch der Ver­si­cher­ten. Auf jeden Fall wol­len wir sicher­stel­len, dass sich die Höhe der Pau­scha­le für die­se Leis­tung an den Sät­zen der ande­ren Berufs­grup­pen orientiert.

OT: Erst MDR, dann E‑Rezept .… bringt das elek­tro­ni­sche Rezept eine wei­te­re Zunah­me der Bürokratie?

Japing: Wir set­zen uns dafür ein, dass durch das E‑Rezept kei­ne zusätz­li­chen Doku­men­ta­ti­ons­pflich­ten ent­ste­hen. Die Betrie­be lei­den an den zu hohen Büro­kra­tie­an­for­de­run­gen. Ande­rer­seits kann sich im Zuge der Digi­ta­li­sie­rung das Ver­si­cher­ten­ver­hal­ten ver­än­dern. So zeich­net sich ab, dass die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten immer mehr digi­ta­le Doku­men­te, Nach­wei­se und Infor­ma­tio­nen zu ihrer Ver­sor­gung ein­for­dern kön­nen, die ihnen dann zur Ver­fü­gung gestellt wer­den müs­sen. Wenn das Inter­es­se dar­an sei­tens der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten wächst, bedeu­tet das zwar kein Mehr an Doku­men­ten, aller­dings müss­ten die­se öfter hoch­ge­la­den und digi­tal ver­teilt wer­den. Das ist inso­fern nichts Schlech­tes, sofern es groß­teils abge­rech­net wer­den kann. Das Kos­ten-Nut­zen-Ver­hält­nis der digi­ta­len Struk­tu­ren ist noch nicht bezif­fer­bar. Das kann durch­aus posi­tiv sein, wenn man an Spar­ef­fek­te wie weni­ger Papier­ver­brauch denkt. Oder an Platz­ein­spa­run­gen, wenn weni­ger Papier­do­ku­men­te phy­sisch auf­be­wahrt bzw. gela­gert wer­den müssen.

OT: Wird das E‑Rezept die Kun­den­bin­dung beeinflussen?

Japing: Das ist schwer vor­aus­zu­ah­nen. Poli­tisch wer­den die Gesund­heits­hand­wer­ke dar­auf ach­ten, dass die Ein­füh­rung des E‑Rezepts die Wahl­frei­heit der Ver­si­cher­ten nicht beschränkt. Es kommt sehr dar­auf an, wel­che Kund­schaft man hat und wie digi­tal affin die­se ist. Zumin­dest in der Anfangs­pha­se ist vor­stell­bar, dass es wert­ge­schätzt wird, wenn die tra­di­tio­nel­len papier­ba­sier­ten Ver­fah­ren wei­ter­hin ange­bo­ten wer­den. Mit dem demo­gra­fi­schen Wan­del kom­men ande­re Gene­ra­tio­nen, die viel­leicht digi­ta­le Ser­vices bevor­zu­gen. Dane­ben kommt es auf die Leis­tungs­be­rei­che und Pro­dukt­ar­ten an – so kann im Bereich der Sport­hilfs­mit­tel eine jün­ge­re Kli­en­tel eher mit digi­ta­len Dienst­leis­tun­gen ange­spro­chen werden.

Die Fra­gen stell­te Cath­rin Günzel.

E‑Rezept im Sani­täts­haus: Viel Anpas­sungs­be­darf bis 2026
Ortho­pä­die­tech­ni­sche Hand­werks­be­trie­be sol­len die für das E‑Rezept nöti­gen elek­tro­ni­schen Berufs­aus­wei­se (eBA) und die Insti­tu­ti­ons­kar­te (SMC‑B) über die Hand­werks­kam­mern erhal­ten, bekräf­tigt Axel Sig­mund, Lei­ter Berufs­bil­dung, Digi­ta­li­sie­rung und For­schung beim Bun­des­in­nungs­ver­band für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV-OT). Denn nur mit einer sol­chen Chip­kar­te kön­nen sich Leis­tungs­er­brin­ger gegen­über der Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur (TI) aus­wei­sen. Dies ist nötig, um auf die mit­tels der elek­tro­ni­schen Gesund­heits­kar­te ver­füg­ba­ren medi­zi­ni­schen Infor­ma­tio­nen sowie das E‑Rezept zuzugreifen.

Der BIV-OT küm­me­re sich eben­falls um jene Sani­täts­häu­ser, die rei­ne Han­dels­häu­ser sind, so Sig­mund. Die­se wer­den die Aus­wei­se über das elek­tro­ni­sche Gesund­heits­be­ru­fe­re­gis­ter (eGBR) erhal­ten, doch hier bestehe wei­te­rer Klä­rungs­be­darf. „Es gibt aber auch hier noch viel zu tun. Noch ist nicht ganz klar, wer alles im Sani­täts­haus und der Ortho­pä­die­werk­statt einen Berufs­aus­weis bekom­men wird“, sagt Sig­mund. Um die Pro­zes­se rund um TI und E‑Rezept zu erpro­ben, hat der BIV-OT eine Arbeits­grup­pe Tele­ma­tik auf­ge­legt. Betei­ligt sind ortho­pä­die­tech­ni­sche Hand­werks­be­trie­be ver­schie­de­ner Betriebs­grö­ßen und füh­ren­de ERP-Sys­tem­häu­ser sowie Abre­chungs­dienst­leis­ter. „Wir steu­ern unser Know-how über die Abläu­fe in den Betrie­ben bei. Im Zwei-Wochen-Rhyth­mus fin­den Arbeits­tref­fen statt, um die Rah­men­be­din­gun­gen für den Gesamt­pro­zess zu definieren.

Zum Som­mer soll dann die Test­pha­se für die soft­ware­tech­ni­sche Umset­zung erfol­gen“, erklärt Tho­mas Münch, der sei­tens des BIV-OT-Vor­stan­des die Arbeits­grup­pe lei­tet. „Der Teu­fel steckt im Detail. Bereits heu­te wis­sen wir, dass die Pro­zes­se, die für Apo­the­ken und Arzt­pra­xen gel­ten, bei uns kom­plett anders aus­se­hen. So ver­ant­wor­ten wir als Leis­tungs­er­brin­ger das fina­le Ver­sor­gungs­kon­zept im Hilfs­mit­tel­be­reich und damit den Zehn­stel­ler. Der Arzt füllt daher gemäß der Hilfs­mit­tel­richt­li­nie in der Regel den Sie­ben­stel­ler aus. Auch die Bewil­li­gung läuft über den Leis­tungs­er­brin­ger und kann gar nicht – wie bei­spiels­wei­se bei den Arz­nei­mit­teln – direkt über die Kran­ken­kas­se lau­fen. Hier sind wir in engem Aus­tausch mit Poli­tik und Gema­tik, um die not­wen­di­gen Anpas­sun­gen früh genug sicher­zu­stel­len“, so Münch weiter. 

 

 

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