Wachs­tums­stra­te­gie fortführen

Als Interims-CEO wurde Oliver Jakobi nach dem Ausscheiden von Philipp Schulte-Noelle im Mai 2022 von Ottobock präsentiert. Etwas mehr als ein halbes Jahr später haben die Beschäftigten des Duderstädter Unternehmens nun die Gewissheit, dass der gebürtige Eichsfelder auch zukünftig den Posten des CEO bekleiden wird. Im Gespräch mit der OT-Redaktion gibt Jakobi einen Ausblick auf die Zukunft sowie eine Einschätzung zur aktuellen Lage von Branche und Ottobock.

OT: Herr Jako­bi, im Fuß­ball wer­den meis­tens Inte­rims­trai­ner zur Dau­er­lö­sung, wenn sie sich in der „ers­ten Rei­he“, also als Chef der Orga­ni­sa­ti­on, bewährt haben. Haben Sie die  ver­gan­ge­nen sie­ben Mona­te auch als eine Art Pro­be­zeit auf  dem CEO-Pos­ten gese­hen?

Oli­ver Jako­bi: Nein, die­sen Ver­gleich wür­de ich nicht zie­hen. Seit ich bei Otto­bock arbei­te, geht es mir immer dar­um, mei­ne Erfah­rung und mei­ne Ener­gie so ein­zu­brin­gen, dass ich dem Unter­neh­men best­mög­lich hel­fen kann. Und genau das habe ich auch in den ver­gan­ge­nen Mona­ten getan, die auf­grund des wirt­schaft­li­chen und geo­po­li­ti­schen Umfel­des sehr schwie­rig waren. Aber gemein­sam mit dem Füh­rungs­team konn­ten wir Otto­bock wirk­lich gut durch die­se Pha­se steu­ern. Natür­lich hat es mich dann sehr gefreut, dass die­se posi­ti­ve Ent­wick­lung auch vom Ver­wal­tungs­rat aner­kannt wurde.

OT: Was ver­än­dert sich für Sie mit der dau­er­haf­ten Beru­fung als CEO?

Jako­bi: Eine ent­schei­den­de Ver­än­de­rung besteht dar­in, dass ich mich jetzt umfas­send auf die Auf­ga­ben des CEO kon­zen­trie­ren wer­de. Somit wer­de ich eini­ge Auf­ga­ben, die ich als CSO bis jetzt noch über­nom­men hat­te, an Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen abge­ben. Das wird vor allem für den wich­ti­gen Bereich Pati­ent Care der Fall sein. So stel­le ich sicher, dass alle Auf­ga­ben die not­wen­di­ge Auf­merk­sam­keit bekommen.

OT: Sehen Sie es als Vor­teil an, dass Otto­bock sich beim CEO-Pos­ten für eine inter­ne Beset­zung ent­schie­den hat, weil Sie die Abläu­fe im Unter­neh­men schon kennen?

Jako­bi: Es gibt immer Grün­de, die für oder gegen eine inter­ne Lösung spre­chen. Aber unab­hän­gig von die­sem kon­kre­ten Fall hat eine inter­ne Kan­di­da­tin oder ein inter­ner Kan­di­dat bei­spiels­wei­se immer den Vor­teil eines bestehen­den star­ken Netz­wer­kes inner­halb eines Unter­neh­mens und einer Indus­trie. Zusam­men mit lang­jäh­ri­ger Erfah­rung mit Kund:innen, Pro­duk­ten, Markt­ent­wick­lun­gen und Inno­va­tio­nen kann das natür­lich gene­rell ein ent­schei­den­der Vor­teil sein.

OT: Was für eine Visi­on haben Sie für Otto­bock und wel­che Pro­jek­te wol­len Sie vorantreiben?

Jako­bi: Welt­weit gibt es mehr als 560 Mil­lio­nen Men­schen, die Mobi­li­täts­un­ter­stüt­zung benö­ti­gen. Wir wol­len die Lebens­qua­li­tät die­ser Men­schen ver­bes­sern. Gera­de im Bereich der neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen kön­nen wir noch viel bewir­ken. Mit dem Exo­pul­se Mol­lii Suit, den wir auf der OTWorld im ver­gan­ge­nen Jahr vor­ge­stellt haben, erzie­len wir erstaun­li­che Ergeb­nis­se bei Men­schen mit Spas­ti­ken, zum Bei­spiel auf­grund von Cere­bral­pa­re­se oder Mul­ti­pler Skle­ro­se. Beim Exo­pul­se Mol­lii Suit eben­so wie bei der sen­sor­ge­steu­er­ten Bein­or­the­se C‑Brace arbei­ten wir dar­an, dass die Pro­duk­te in inter­na­tio­na­le Erstat­tungs­sys­te­me auf­ge­nom­men wer­den, damit sie noch mehr Men­schen zur Ver­fü­gung ste­hen. Beson­ders wich­tig für uns ist die Nähe zu unse­ren Anwen­de­rin­nen und Anwen­dern. Wir wol­len ihre Bedar­fe noch bes­ser ver­ste­hen und unser Ver­sor­gungs­an­ge­bot auf jeden ein­zel­nen von ihnen opti­mal abstim­men. Dabei wird uns das digi­ta­le Öko­sys­tem der Otto­bock-Lifel­ounge hel­fen, mit der wir 2023 durch­star­ten wollen.

OT: Das Fach hat mit aku­tem Fach­kräf­te­man­gel zu kämp­fen. Wel­che Chan­cen, aber auch Risi­ken birgt das für die Industrie?

Jako­bi: Der Fach­kräf­te­man­gel in der Ortho­pä­die-Tech­nik zwingt die Bran­che zum Han­deln. Die Digi­ta­li­sie­rung wird wei­ter vor­an­schrei­ten. Daher wird es auch zu ver­mehr­ten Koope­ra­tio­nen und kol­la­bo­ra­ti­ven Ansät­zen kom­men. Durch die Digi­ta­li­sie­rung des Hand­werks sehen wir die Mög­lich­keit, jun­ge Talen­te für den Beruf begeis­tern zu kön­nen. Durch neue Tech­no­lo­gien wer­den Arbeits­schrit­te ver­kürzt und Distan­zen spie­len kei­ne Rol­le mehr. Das ermög­licht zum einen mehr Zeit mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten und bie­tet zum ande­ren die Mög­lich­keit der Zusam­men­ar­beit auch über natio­na­le und inter­na­tio­na­le Stand­or­te hin­weg. Unser Vor­teil ist, dass wir in den ver­gan­ge­nen Jah­ren bereits gro­ße Schrit­te hin zum digi­ta­len Hand­werk gegan­gen sind und in die­sem Bereich auch aus­bil­den. Die­sen Weg müs­sen und wer­den wir kon­se­quent weiterverfolgen.

OT: Eine jüngs­te Umfra­ge des Bünd­nis­ses „Wir ver­sor­gen Deutsch­land“ ergab, dass die Sani­täts­häu­ser kri­sen­be­dingt unter gro­ßem Kos­ten­druck lei­den. Bei den Kos­ten­trä­gern sind ähn­li­che Stim­men zu hören. Was bedeu­tet das für Ottobock?

Jako­bi: Den Kos­ten­druck in der Bran­che, der sich auf­grund der stei­gen­den Infla­ti­ons­ra­te noch­mals deut­lich zuge­spitzt hat, spü­ren wir natür­lich auch. Gemein­sam mit unse­ren Part­ne­rin­nen und Part­nern ver­su­chen wir Lösun­gen zu fin­den, um die­se Pha­se der mul­ti­plen Kri­sen gemein­sam zu meis­tern. Um auf die Bedürf­nis­se der Anwen­de­rin­nen und Anwen­der zuge­schnit­te­ne Ver­sor­gun­gen vor­neh­men zu kön­nen, ist die Zusam­men­ar­beit aller Par­tei­en not­wen­dig. Für die Kos­ten­er­stat­tung bedarf es indi­vi­du­el­ler Argu­men­ta­tio­nen und einer sau­be­ren Doku­men­ta­ti­on der Ver­sor­gungs­er­geb­nis­se. Dar­auf ach­ten wir in unse­ren eige­nen Sani­täts­häu­sern beson­ders. Unse­ren Part­ne­rin­nen und Part­nern bie­ten wir außer­dem mit unse­rem Exper­ten­team aus dem Bereich Busi­ness Solu­ti­ons Unter­stüt­zung bei der Opti­mie­rung von Werkstatt‑, Admi­nis­tra­ti­ons- und Ver­sor­gungs­pro­zes­sen. Dort ist häu­fig noch Poten­zi­al, um einen Teil der höhe­ren Kos­ten auszugleichen.

OT: Sie über­neh­men Otto­bock in einer schwie­ri­gen Pha­se – die Aus­wir­kun­gen der Coro­na-Pan­de­mie, Ukrai­ne-Krieg und Ener­gie­preis­kri­se belas­ten Pri­vat­leu­te und Unter­neh­men glei­cher­ma­ßen. Den­noch sol­len Sie die Wachs­tums­stra­te­gie des Unter­neh­mens fort­set­zen. Lässt sich das aktu­ell  mit­ein­an­der vereinbaren?

Jako­bi: Der welt­wei­te Bedarf an Mobi­li­täts­lö­sun­gen ist unge­bro­chen hoch. Ent­spre­chend gibt es auch für Otto­bock gro­ßes Poten­zi­al, um wei­ter nach­hal­tig zu wach­sen trotz des natür­lich sehr vola­ti­len Umfel­des. Wir fokus­sie­ren uns also wei­ter­hin auf die Zie­le, die wir gemein­sam mit den Eigen­tü­mern fest­ge­legt haben. Unse­re Wachs­tums­stra­te­gie steht und wir set­zen die­se kon­se­quent um.

OT: Sie sind selbst gebür­ti­ger Eichsfel­der, kom­men also aus der Regi­on um Duder­stadt. Was bedeu­tet Otto­bock für die Regi­on und die Men­schen dort?

Jako­bi: Als Eichsfel­der bin ich mit Otto­bock auf­ge­wach­sen. Es ist ein gro­ßes und inter­na­tio­nal erfolg­rei­ches Unter­neh­men in der Regi­on. Dar­auf sind die Men­schen stolz. Vie­le Duder­städ­ter und Men­schen aus der Regi­on arbei­ten bei Otto­bock. Teil­wei­se sind Fami­li­en mit meh­re­ren Per­so­nen oder auch seit Gene­ra­tio­nen mit dem Unter­neh­men ver­bun­den. Ent­spre­chend wich­tig ist für sie, dass es der Fir­ma gut geht.

OT: Sie waren zuvor Chief Sales Offi­cer und beklei­de­ten das Amt wäh­rend Ihrer Inte­rims­zeit als CEO zusätz­lich. Wer­den Sie die­se Dop­pel­funk­ti­on wei­ter­hin aus­üben oder wird es eine per­so­nel­le Neu­be­set­zung der CSO-Posi­ti­on geben?

Jako­bi: Ich wer­de wei­ter­hin auch den Sales-Bereich als geschäfts­füh­ren­der Direk­tor lei­ten. Aller­dings pla­ne ich, wie bereits erwähnt, Auf­ga­ben abzu­ge­ben, damit vor allem der Bereich Pati­ent Care opti­mal betreut wird. Unser Wachs­tum hängt eben im Wesent­li­chen davon ab, wie gut wir unse­re Mis­si­on erfül­len, Men­schen zu hel­fen, ihre Bewe­gungs­frei­heit zu erhal­ten oder wie­der­zu­er­lan­gen. Und genau die­se Mis­si­on treibt uns alle bei Otto­bock jeden Tag an.

Die Fra­gen stell­te Hei­ko Cordes.

 

Tei­len Sie die­sen Inhalt