So sieht der Verband die fristgerechte Anwendbarkeit der ab dem 26. Mai 2020 verpflichtend geltenden EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) gefährdet. Unter anderem fehle es zurzeit noch an einer sekundären MDR-Rechtsetzung, die für die Interpretation und Ausführung der MDR benötigt werde und Aufgabe der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sei.
Außerdem bezweifelt der Verband in seinem Jahresbericht den pünktlichen Start der europäischen Medizinprodukte-Datenbank Eudamed, der für März 2020 vorgesehen ist. Die Industrie warte noch immer auf wichtige Informationen zur Datenbank, um ihre eigene Infrastruktur und Software auf die Übertragung ihrer Daten an Eudamed vorzubereiten. Ohne die funktionsfähige Datenbank könne aber die im MDR vorgesehene Marktüberwachung nicht durchgeführt werden, so die Ansicht des Bundesverbandes.
Neue Erstattungs- und Bewertungssysteme für den technischen Fortschritt
Nach Einschätzung des BVMed werden insbesondere die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizintechnik zu großen Fortschritten in der Versorgung von Patienten führen. Der Verband begrüßt diese Entwicklung, sieht die Medizintechnikbranche aber vor große Herausforderungen gestellt.
BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll fordert daher im Bericht von der Politik neue Erstattungs- und Bewertungssysteme, die der Dynamik der Technologien angepasst werden, damit Patienten auch in Zukunft ohne Verzögerungen am medizinischen Fortschritt teilhaben können.
TSVG eröffnet neue Perspektiven
In diesem Zusammenhang begrüßt der Verband das im Mai in Kraft getretene Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), da es unter anderem vereinfachte Verfahren beim Gemeinsamen Bundesauschuss (G‑BA) zur Erprobung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vorsieht. Hersteller von Medizinprodukten haben nun die Möglichkeit, die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung einer Erprobung selbst in Auftrag zu geben. Entscheiden sich Firmen gegen diese Möglichkeit oder lassen die vom G‑BA gesetzte Frist verstreichen, vergibt der G‑BA den Auftrag wie bisher nach einem Ausschreibungsverfahren. Gleichzeitig geht dem BVMed diese Neuregelung nicht weit genug.
So müsse bei der erstmaligen Antragstellung für eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Krankenhaus mit Medizinprodukten hoher Klasse das Einvernehmen zwischen Krankenhaus und Hersteller geschaffen werden. Ebenso müssten die Unternehmen die Möglichkeit haben, die Erprobungsstudie bei eigener Kostenübernahme selbst zu beauftragen. Für andere Unternehmen müssten die Regeln der vorgesehenen Kostenübernahme vereinfacht werden.
Eine Vorleistung der Kosten durch den G‑BA könnte zu einer Beschleunigung der Verfahren führen. Außerdem benötigten die Unternehmen der Medizintechnologie eine höhere Verbindlichkeit und Verlässlichkeit der Beratung durch den G‑BA für eine Erprobungsstudie. Positiv bewertet der Verband die durch das TSVG vorgesehene Änderungen des 2017 in Kraft getretenen Heil- und Hilfsmittelversorungsgesetzes (HHVG) insbesondere die Abschaffung der Ausschreibungen von Hilfsmitteln. „Hier hat der Gesetzgeber schnell gehandelt und im Rahmen des TSVG Änderungsanträge eingebracht, um die Missstände zu beseitigen“, heißt es im Bericht.
Homecare- und Wundversorgung leiden unter Preissenkungen und Rechtsunsicherheit
Nichtsdestotrotz gefährden aus Sicht des Verbandes die aktuellen Rahmenbedingungen die Qualität in der Homecare-Versorgung, denn der Trend von Preissenkungen setze sich in vielen Hilfsmittelbereichen fort. Ebenfalls Sorge bereite dem BVMed die Entwicklung bei der Wundversorgung.
Hintergrund: Im April 2018 beschloss der G‑BA eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie, sodass Verbandsmittel, die neben der klassischen Wundversorgung ergänzende Wirkungsweisen entfalten, von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen sind. Dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) ging diese Regelung zu weit und es legte einen Referentenentwurf für ein „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ vor, das die Verordnungsfähigkeit von Verbandmittel mit ergänzender Wirkungsweise bestätigt. Hier fordert der Verband im Sinne einer größeren Rechtssicherheit für Versicherte und Leistungserbringer eine weitergehende Konkretisierung des Referentenentwurfs.
Hilfsmittelverzeichnis unzureichend aktualisiert
Der Verband kritisiert zudem die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses. Der GKV-Spitzenverband war verpflichtet, bis Ende 2018 alle Produktgruppen des Hilfsmittelverzeichnisses fortzuschreiben und zu aktualisieren. Laut BVMed seien die notwendigen strukturellen und qualitativen Anpassungen nicht ausreichend erfolgt.
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